Zweideck-Salondampfschiff "Uri" vom Vierwaldstättersee (1:200, Eigenbau)



  • [Dieser Baubericht war im untergegangenen Forum noch nicht sehr weit gediehen, also habe ich ihn völlig neu konzipiert. Der Bau des Modells bietet immer wieder Anlaß, mich mit dem Vorbild zu beschäftigen: die echte "Uri" wird daher in Text und Bild sehr präsent sein. Falls hier "Uri"-Experten von außerhalb des Forums mitlesen und Fehler finden (oder etwas besonders Interessantes ergänzen können), dann schreiben Sie an: Claudia@die-kartonmodellbauer.de]


    Gebaut wird der Zweideck-Salonraddampfer „Uri“ vom Vierwaldstättersee, der älteste Raddampfer der Schweiz (1901), der zusammen mit der „Unterwalden“ (1902), „Schiller“ (1906), „Gallia“ (1913) und „Stadt Luzern“III (1928) bis heute von Frühling bis Herbst nahezu täglich auf Kursfahrt unterwegs ist. Dabei legt die „Uri“ jährlich mehr als 15´000 km zurück. Insgesamt hat sie schon über 2,1 Millionen km durchfahren, und noch immer wird sie von der originalen Dampfmaschine angetrieben.


    Das Modell entsteht im Maßstab 1:200 inklusive Innenausbau und wird ca. 30 cm lang. Als Grundlage dienen der Generalplan, mehrere hundert Photos (zumeist aus den Jahren 2009/10) und eigene Messungen.



    Bevor es mit dem eigentlichen Baubericht losgeht, möchte ich einiges zur Geschichte der Dampfschiffahrt auf dem Vierwaldstättersee und den Typ des Salondampfers sagen. So wird deutlich werden, welchen Platz die „Uri“ in der rasanten Entwicklung der Raddampfer einnimmt. Doch um zu verstehen, warum „Ausflugsdampfer“ mit I.-Klasse-Salons gebaut wurden, die an luxuriöse Grandhotels der Belle Époque erinnern, muß man sich auch ein wenig mit jener Zeit befassen, insbesondere mit dem Tourismus. Wer diese Mühe nicht scheut, wird auf der „Uri“ und ihren Schwestern zahlreiche interessante Details entdecken, sie besser verstehen und sich an ihnen freuen können.


    Gestützt auf zahlreiche Schiffahrts-Publikationen, die vor allem seit den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts erschienen, werde ich zunächst eine Übersicht geben, aber auch im Baubericht technische und historische Einschübe machen. Selbstverständlich werden auch die Rettung und Generalrevisionen (vor allem jene von 1991-94) zur Sprache kommen, denn eigentlich hätte die „Uri“ um 1970 aus dem Verkehr gezogen werden sollen.


    Zur Einstimmung einige Bilder vom See, auf dem die „Uri“ fährt:

    • – Panorama vom Pilatus bei Luzern


    • – Karte mit den Schiffsstationen
    • – Blick von Brunnen südwärts in den Urnersee (die Wiese rechts ist das Rütli)


    Bei der Schiffahrtsgesellschaft des Vierwaldstättersees (SGV) gibt es eine ganze Reihe sehr schöner 360°-Panorama und Überflugbilder des ganzen Sees zu sehen.

  • 1) Vom Güter- und Passagiertransport …


    Der Schiffsverkehr auf dem Vierwaldstättersee, der als Voralpengewässer viele schroffe, unzugängliche Ufer aufweist, gewann im 13. Jahrhundert an Bedeutung, nachdem die wichtige Nord-Süd-Route über den Gotthard durch Saumpfade erschlossen war. Reisende und Waren wurden mittels hölzerner, flacher Kähne, sog. „Nauen“ befördert, die über Segel und Ruder verfügten. 1830 wurde die Passstraße über den Gotthard fertiggestellt, weshalb vor allem die Stände Basel und Tessin darauf drängten, daß das moderne Transportmittel Dampfschiff endlich auch auf dem Vierwaldstättersee eingesetzt werde. Auf dem Genfersee verkehrte schon 1823 das erste Schweizer Dampfschiff, bald darauf auch auf dem Neuenburgersee, Bodensee, Zürichsee.


    Im Jahre 1837 nahm der Elsässer Geschäftsmann und Bankier Casimir Friedrich Knörr zusammen mit Josef Maria Ronca das erste Dampfschiff auf dem Vierwaldstättersee in Betrieb. Es war eines der ersten Schiffe, welches von der Zürcher Firma Escher & Wyss gebaut wurde (die Maschine stammte jedoch aus England): zuvor mußte man Dampfschiffe entweder in England oder Frankreich kaufen. Den Urnern missfiel diese Entwicklung: sie gingen so weit, daß sie das Schiff in Flüelen mit Steinen und Stöcken empfingen. Ein Zeitgenosse verglich die Situation mit der Landung von Kapitän Cook auf den Sandwichinseln. Doch die Entwicklung ließ sich nicht aufhalten, und nachdem Knörr 1843 ein zweites Schiff, die „St. Gotthard“I in Betrieb genommen hatte, gründete der Urner Carl Emanuel Müller 1847 ein Konkurrenzunternehen. Da Escher & Wyss ihm vertragsbedingt kein Schiff liefern durfte, musste Müller seine beiden Schiffe in England bestellen. Das zweite, die berühmte „Rigi“, verkehrte von 1848 bis 1952 und steht heute im Verkehrshaus der Schweiz. Beide Gesellschaften kooperierten bereits ab 1849 und erwehrten sich zwischen 1858 und 1869 erfolgreich aller Versuche möglicher Konkurrenten, auf dem See Dampfschiffe zu betreiben.



    Die Dampfschiffpioniere auf dem Vierwaldstättersee: Casimir Friedrich Knörr (1808–1882) und Carl Emanuel Müller (1804–1869).


    Am lukrativen Geschäft, das zunächst hauptsächlich den Güterverkehr betraf, wollten nämlich auch andere mitverdienen. Kaum bestand 1859 eine Bahnlinie nach Luzern, versuchte die „Centralbahn“ mit den programmatisch „Stadt Basel“ und „Stadt Mailand“ benannten Schiffen Fuß zu fassen, doch diese wurden umgehend von den beiden etablierten Gesellschaften gepachtet. 1869 und 1870 erfolgte in zwei Schritten die Fusion zur „Vereinigten Dampfschiffgesellschaft auf dem Vierwaldstättersee“ (VDGV, ab 1885 „Dampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees“, DGV).


    Deren Transportmonopol geriet jedoch alsbald ins Wanken, da trotz des schwierigen Geländes rund um den Vierwaldstättersee nach und nach Eisenbahnstrecken und Straßen gebaut wurden. Mit der Eröffnung der Axenstraße zwischen Brunnen und Flüelen 1865 war man nicht mehr allein auf das Schiff angewiesen, um den fjordartigen Urnersee zu überwinden.



    Die Axenstraße am Ostufer des Urnersees.


    Bahn und Straße führten andernorts, namentlich auf dem Zürichsee, praktisch zum Ruin der Dampfschiffahrt – doch auf dem Vierwaldstättersee begann 1870 die große Zeit der prächtigen Salondampfer. Wie kam es dazu?

  • 2) … zum noblen Tourismus


    Von grundlegender Bedeutung war eine Mode, die bereits im 18. Jhd. aufgekommen war und in der Romantik zur vollen Blüte kam: die Begeisterung für die Schönheit der Natur. Erhabene Berge, herrliche Seen, dramatische Stimmungen und ländliche Idylle inspirierten Maler und Dichter, welche auch die naturverbundene, unverdorbene Lebensweise der freien Land- und Bergbevölkerung verklärten. Albrecht Hallers Gedicht „Die Alpen“ (1729) ist ein frühes, einflussreiches Beispiel hierfür, aber auch Schillers „Wilhelm Tell“ (1804) verarbeitet die Thematik. Der romantische Zeitgeist verlangte nach authentischem Erleben, weshalb man diese Sehnsuchtsorte zu besuchen begann, was nach dem Ende der napoleonischen Kriege 1815 und dank besserer Verkehrswege einfacher wurde. 1863 bot Thomas Cook zum ersten Mal Gruppenreisen in die Schweiz an, und ab 1880 brachten wöchentliche Extrazüge Scharen von Touristen, die im Rahmen von 6-Tages-all-inclusive-Reisen die Innerschweiz und die norditalienischen Seen besuchten.


    Die größte Attraktion für die Touristen war der Aufstieg auf den Rigi, um dort einen Sonnenaufgang zu erleben. Folgerichtig entstand dort bereits 1816 ein erstes, noch ziemlich bescheidene Gasthaus, und 1871 die erste Zahnradbahn Europas, die schon im vierten Betriebsjahr über 100’000 Leute transportierte (Geschichte der Rigi-Bahnen). Um nur zwei berühmte Rigi-Touristen zu nennen: 1868 ließ sich Königin Victoria hinauftragen, und 1879 veröffentlichte Mark Twain eine köstliche Schilderung seines „Trip to Mount Rigi“ (hier in deutscher Übersetzung).


    Knapp zwanzig Jahre später war auch der unwegsame Pilatus mit einer Bergbahn zu erreichen: 1889 nahm die bis heute steilste Zahnradbahn der Welt (bis 48% Steigung) den Betrieb auf, die eine technische Meisterleistung ist. Auf der Internetseite der Pilatusbahnen wird dieser spektakuläre Bau beschrieben und mit vielen historischen Bildern illustriert.


    Wer nicht selber auf die Berge steigen oder fahren konnte (letzteres war sehr kostspielig), konnte das noch heute existierende, 1901 eröffnete „Alpineum“ besuchen: namhafte Künstler schufen dort mehrere begehbare Dioramen.


    Der anschwellende Touristenstrom erforderte eine geeignete Infrastruktur, insbesondere gediegene Hotels mit bester Aussicht. Hierfür erschloß man ab 1835 das sumpfige nördliche Seeufer, wo sich noch heute Grandhotel an Grandhotel reiht.



    Luzerner Grandhotels; rechts im Bild: der Rigi.


    Einige davon zeigen auf ihren Internetseiten historische Photographien, etwa der Schweizerhof“ (1845 ) und das „Europe“ (1875).Mit welchem Aufwand die noblen Gäste damals verwöhnt werden wollten, läßt sich im „National“ (1870) entdecken. Das „Palace“ öffnete 1906, vier Jahre später das "Montana", welches über dem See thront und mit einer eigenen Standseilbahn zu erreichen ist.



    Welche Aussicht man von dort hat, zeigt das dieses, extra für diesen Baubericht aufgenommene 180°-Panorama (herzlichen Dank an Frau Capodanno [sales manager]). Ganz links befindet sich der Rigi, rechts in den Wolken der Pilatus. Dafür also, und nicht für die heute so berühmte Holzbrücke, reisten jährlich zehntausende von Touristen in das zuvor reichlich verschlafene Städchen Luzern.

  • Dabei befuhren sie den Vierwaldstättersee mit Dampfschiffen, die allerdings noch 1870 mit dem Luxus der Palasthotels nicht das geringste gemeinsam hatten. Sowohl Kaiser Napoleon III (1865) als auch Königin Victoria (1868 und 1873) fuhren auf offenen Glattdeckern (Napoleon übrigens bei strömendem Regen). Der bayerische König Ludwig II fuhr im Sommer 1881 immerhin auf einem Halbsalondampfer (das gemietete Schiff musste jederzeit auslaufbereit sein, damit der König bei Mondschein zum Rütli übersetzen konnte, wo der Schauspieler Joseph Kainz ihm Verse aus dem „Tell“ deklamieren mußte). Ab 1872 fuhren die ersten Salondampfer auf dem See (s. nächster Beitrag), deren Einrichtung allmählich immer gediegener wurde: die „Stadt Luzern“II (1887) war ein Prachtschiff, und kam für die Fahrt von Kaiser Wilhelm II und Gemahlin Augusta Victoria 1893 zum Einsatz. Die nächsten Schiffe waren etwas einfacher eingerichtet, doch ab der „Uri“und der „Unterwalden“ leistete man sich wieder exquisite Inneneinrichtungen.



    Für Königin Victoria und Kaiser Wilhelm II werden Dampfschiffe bereitgestellt.


    Die Frequenzen stiegen von 425'000 Passagieren (1870) auf 2'100'000 (1913). Vor dem geschilderten Hintergrund erstaunt es nun nicht mehr, daß auffällig viele Dampfschiffe aus dieser Zeit internationale Namen erhielten: „Helvetia“ (1870), „Victoria“ (1871), „Germania“ (1872), „Italia“ (1872), „Schiller“ (1906) und „Gallia“ (1913). Die einzelnen Waldstätten dagegen kamen mit „Uri“, „Schwyz“ und „Unterwalden“ erst spät zu Ehren (1901/2), Ufergemeinden mit Ausnahme der Stadt Luzern überhaupt nicht.

  • 3) Die Entwicklung vom Glattdecker zum Zweideck-Salondampfer


    Zwischen dem Stapellauf des ersten Vierwaldstätterseedampfschiffes 1837 und jenem der „Uri“ 1901 liegen lediglich 64 Jahre, in denen sich die Raddampfer und ihre Maschinen rasant entwickelten (diesen zweiten Punkt klammere ich hier aus, da ich die Dampfmaschine der „Uri“ gesondert bauen werde).


    Die ersten 13 Raddampfer wurden als sog. Glattdecker gebaut: sie waren meist zwischen ca. 40 und 50 m lang, hatten einen Klipperbug (bisweilen mit einer Galionsfigur), einen eisernen Rumpf, Schaufelräder mit starren, hölzernen Schaufeln, einen sehr hohen Kamin, hölzerne Radkästen, einen Steuerstand achtern, eine Reling mit Netzbespannung, und das Hinterdeck wurde von einem Zelt- oder Blechdach überspannt. Geschützte Aufenthaltsräume auf Deck gab es nicht. Im Vorschiff befand sich die Kajüte der 2. Klasse, achtern jene der 1. Klasse, die nur durch Bullaugen oder Lukenfenster erhellt waren. Das Farbschema jener Zeit war: schwarze Schale, zuweilen mit einem weißen Batteriestreifen, grüne Radkästen. Hinter den Radkästen wiesen diese Schiffe Fallreeps auf, weil vielerorts mangels Anlegestelle die Passagiere mit Booten zum wartenden Schiff hinausgerudert werden mussten. Am Heck wurde zudem eine kleine Gondel mitgeführt. Mehr als dreißig Jahre lang prägten diese jeglichen Komforts baren Dampfschiffe das Bild, und noch 1868 fuhr Königin Victoria mit einem dieser archaischen Schiffe über den See.



    „Rigi“ I (1848), im Hintergrund „Waldstätter“ I (1847). – Aufnahme von 1861.



    „Wilhelm Tell“ I (1864), im Hintergrund „Stadt Basel“ (1859). Gut sichtbar ist die Galionsfigur des „Tell“. – Aufnahme nach 1875.


    1870 begann sprunghaft eine neue Epoche, die der Salondampfer. Das erste Schiff dieses Typs war die von den Gebrüdern Sulzer (Winterthur) gebaute „Oberland“ auf dem Brienzersee (Sulzer war erst im Jahr davor im Dampfschiffbau aktiv geworden!). Charakteristisch sind geschlossene Aufbauten mit großen Fenstern: achtern ein geräumiger Salon, auf dem Vordeck eine Rotonde. In Luzern kam es in der Folge zu einem merkwürdigen Ereignis: der bereits genannte C. F. Knörr, wiewohl Mitglied im Verwaltungsrat der soeben aus Fusionen hervorgegangenen VDGV, gründete ein Konkurrenzunternehmen mit dem bezeichnenden Namen „Salondampfschiffgesellschaft des Vierwaldstättersees“ und bestellte bei Escher-Wyss in Zürich zwei Schiffe dieses neuen Typs. Seine Beweggründe sind nicht bekannt, doch noch vor dem Stapellauf zog sich Knörr zurück und die neue Gesellschaft war Geschichte. Die VDGV übernahm die beiden Schiffe und setzte sie 1872 in Betrieb. Sie erhielen die Namen „Germania“ und „Italia“ – eine Referenz an den internationalen Tourismus (s. vorhergehender Beitrag).


    Neben diesen beiden Neuheiten wirkten die alten Glattdecker veraltet. Das gilt auch für die beiden brandneuen Schiffe „Schweiz“ und „Victoria“, welche die Gebrüder Sulzer (Winterthur) 1870 an eine ebenfalls kurzlebige Konkurrenzgesellschaft liefern sollten, und welche die VDGV direkt übernahm. Das markante Schwesternpaar wies zwei hintereinander angeordnete Kamine auf, einen geraden, schmucklosen Vorsteven, sowie ein hölzernes Schanzkleid, welches wie der Rumpf schwarz gestrichen war. Die Radkästen waren weiß. Zeitnah wurden Pläne zum Umbau der beiden Schiffe in Salondampfer erarbeitet und 1873 bzw. 1875 umgesetzt.



    Auf dieser Aufnahme, die zwischen 1872 und 1875 entstand, prallen zwei Welten aufeinander: im Hintergrund ein Glattdecker, vorne rechts der Salondampfer „Italia“ (1872). Links im Vordergrund der ungewöhnliche Glattdecker „Victoria“ (1871), welcher neben der nur ein Jahr jüngeren „Italia“ archaisch anmutet und bereits 1875 zum Salondampfer umgebaut wurde.



    Die „Schweiz“ und ihre Schwester „Victoria“ weisen die wohl spannendsten Lebensläufe aller Vierwaldstätterseedampfer auf: ursprünglich mit zwei Schornsteinen versehene schwarze Flachdecker wurden sie früh zu hell gestrichenen Salondampfern umgebaut. Die „Schweiz“ erhielt 1882/3 neue, nebeneinanderliegende Kessel. Noch liegen diese (und der Schornstein) aber vor der Radachse. 1896/97 entsteht die Rotonde auf dem Vorschiff. 1904/05 wird eine neue Maschine eingebaut, wobei die Kessel nun hiner der Radachse liegen, und auf dem Oberdeck wird ein kleiner Aufbau erstellt. (Aufnahme aus der Zeit 1897–1901)


    Im Anschluß modernisierte die DGV zwischen 1879 und 1886 fünf weitere Glattdecker, indem sie sie zu sog. Halbsalondampfern umbaute: das Hinterdeck wurde um ca. einen Meter tief in die Schale verlegt, deren Wände gleichzeitig erhöht und mit großen Fenstern versehen wurde, so daß ein tiefgelegter, überdachter Salon entstand. Zugleich ging man dazu über, die umgebauten Schiffe in den Farbtönen weiß und creme mit Zierstreifen in dunkelbraun zu streichen. Ab 1896 wurde auf fast allen umgebauten Schiffen auch noch eine Vorschiffs-Rotonde erbaut, wie sie auf den Salondampfern bereits Standard war. Dem bereits genanten Ex-Glattdecker „Schweiz“ war ein langes Leben beschieden: mehrfach umgebaut verkehrte der Dampfer bis 1959, annähernd so lange wie die „Italia“ (bis 1963). Andere Glattdecker wurden nur wenig oder gar nicht modernisiert, und entweder relativ bald ausrangiert oder ab ca. 1880 hauptsächlich für den Gütertransport eingesetzt. Nur die legendäre kleine „Rigi“, erst 1905 zum Eindecksalonschiff umgebaut, verkehrte bis 1952 (dieses Schiff gab es als Kartonmodell des Verkehrshauses Luzern). Schiffsbaugeschichtlich bemerkenswert ist die Tatsache, daß die Entwicklung nicht vom Glattdecker über den Halbsalondampfer zum Salonschiff verlief, sondern die beiden letztgenannten Typen zeitgleich auftraten: neben der bereits erwähnten „Oberland“ lieferte Escher-Wyss im selben Jahr 1870 mit dem „Winkelried“ (Genfersee) auch den ersten Halbsalondampfer.



    Die „Stadt Mailand“ (1859) nach dem Umbau zum Halbsalondampfer; noch fehlt die Rotonde auf dem Vorschiff (Zustand zwischen 1885 und 1907).


    Es vergingen nach Inbetriebnahme der „Italia“ und der „Germania“ und den diversen Umbauarbeiten ganze 15 Jahre, bis die DGV 1887 einen neuen Raddampfer in Auftrag gab. Der Salondampfer „Stadt Luzern“II wies Baumerkmale auf, die wir auch bei der „Uri“ finden werden, etwa die zwei dekorativen Masten, die strahlenförmigen Radkastenöffnungen und einen luxuriösen 1.-Klasse-Salon. Leider war der Kohleverbrauch der Dampfmaschine enorm, und aufgrund undichter Decks wurde das edle Interieur bald beschädigt. 1917 wird die „Stadt Luzern“ außer Dienst gestellt. Ihr 1911 angefertigtes Bugzier hat jedoch überdauert und schmückt bis heute die „Stadt Luzern“III. Bis zum Ende des Jahrhunderts nahm die DGV drei weitere, mittelgroße Salondampfer in Betrieb, die erst in den 1960er Jahren Motorschiffen weichen mussten.



    Die imposante „Stadt Luzern“ II (1887) im letzten Bauzustand mit Bugzier (1911).


    Wer noch mehr Dampfschiffgeschichte entdecken möchte, wird auf der Internetseite Schweizer Schiffe viel Interessantes finden.

  • Die technischen Angaben nebst aktuellen Bildern sind auf der Internetseite der Dampferfreunde Vierwaldstättersee zusammengestellt.


    Im Vergleich etwa zur im vorhergehenden Beitrag vorgestellten „Schweiz / Schwyz“ widerfuhren der „Uri“ keine radikalen Veränderungen (der Umbau von 1960/61 wurde 1991/94 rückgängig gemacht). Das ist nicht verwunderlich: zwar durchlief der Typ des Zweideck-Salondampfers durchaus gewisse Entwicklungen, aber man kann sagen, daß er um 1900 sowohl technisch (Heißdampf-Hochdruckmaschine) als auch baulich weitgehend ausgereift war.


    Die Geschichte der „Uri“ ist im „Bordbuch URI“ (J. Gwerder, Luzern 1994) ausführlich dokumentiert und reich bebildert. Ich beschränke mich hier auf die wichtigsten, vor allem äußerlichen Veränderungen (im Verlauf des Berichts werden aber viele kleine Details zur Sprache kommen).


    1899 bestellt die DGV bestellt je ein neues Schiff bei den Gebrüdern Sulzer in Winterthur und bei Escher-Wyss in Zürich. Sie sollten ursprünglich „Wilhelm Tell“ und „Niclaus von der Flüe“ heißen, doch dann entschied man sich, die Namen der Waldstätten zu vergeben. Die „Schweiz“ wurde in „Schwyz“ umbenannt, die beiden neuen Schiffe sollten „Uri“ und „Unterwalden“ heißen. Die „Uri“, gebaut von den Gebrüdern Sulzer, wurde 1901 in Dienst gestellt, die „Unterwalden“ von Escher-Wyss 1902.



    Die „Uri“ im ersten Betriebsjahr (noch ohne Bug- und Namenszier). Gut erkennbar ist der ursprünglich zweifarbige Anstrich der Aufbauten, den sie etliche Jahre beibehielt.


    1916 werden die Masten bis auf Kaminhöhe gekürzt, damit die „Uri“ unter der neuen Hochspannungsleitung über der Acheregg bei Stansstad hindurchfahren kann.


    1923 erhält die „Uri“ ein Steuerhaus.


    1931 stößt sie mit einem Trajektschiff zusammen, wobei der Bug stark beschädigt wird. Das Bugzier ist nicht mehr zu retten und wird aufgegeben (die Radkastenzier wird gegen Ende des Jahrzehnts ebenfalls entfernt).


    In den 40er Jahren wird das Sonnenzelt auf dem vorderen Oberdeck entfernt.


    1949 wird die „Uri“ als erster DGV-Schiff von Kohle- auf Schwerölfeuerung umgebaut.


    1960 wird an der Acheregg, der Einfahrt des Südwestarmes des Vierwaldstättersees (Alpnachersee), die Autobahnbrücke fertig, welche die alte Drehbrücke ersetzt. Die „Uri“ und die „Unterwalden“ erhalten absenkbare Alu-Steuerhäuser sowie teleskopierbare Kamine und Masten, um unter dieser Brücke hindurchfahren zu können. Die nachstehende Postkarte zeigt die „Uri“ (rechts im Bild) in genau diesem Zustand.



    1961 erhält das Oberdeck ein Aluminiumdach als Schutz gegen Ruß und Funkenwurf, der beim Absenken des Kamins entsteht. Die Eingriffe von 1960/61 verändern das Aussehen des Dampfschiffes sehr ungünstig.



    Aufnahme aus dem Jahr 1989.


    Im Flottenerneuerungsplan von 1964 war vorgesehen, daß die „Uri“ schon 1970 durch ein Motorschiff ersetzt werden sollte. Erwischt hat es dann aber den wesentlich besser erhaltenen, kurz zuvor sogar revidierten „Wilhelm Tell“II. Dies war die Geburtsstunde der „Dampferfreunde Vierwaldstättersee“, die im wahrsten Sinne die Massen mobilisierten und jahrelang unermüdlich für den Erhalt der schönen Schiffe kämpften.


    1978-81 fand jeweils im Winter eine Hauptrevision statt, wobei die „Uri“ als erstes Schiff in die neuerbaute Wertfhalle gezogen wird. Das Erscheinungsbild bleibt nahezu unverändert, doch erhält die „Uri“ wieder ein -schlichtes- Bugzier (auf der Basis der alten Radkastenzier), und der Salon wird stilecht restauriert.


    1991–1994 erfolgt die Generalrevision. Anders als bei der 1985 komplett sanierten „Unterwalden“ beschließt man, den unschönen Umbau von 1960/61 rückgängig zu machen und in Kauf zu nehmen, daß die „Uri“ dann nicht mehr in den Alpnachersee fahren kann. Bei ihrer Abschiedsfahrt am 29. September 1991 senkt die „Uri“ zum letzten Mal Kamin, Steuerhaus und Masten (da bin ich dabeigewesen).


    Seither ist das Erscheinungsbild des Schiffes unverändert geblieben, obwohl es natürlich kleinere Umbauten, Reparaturen und Teilrevisionen gab (z.B. 2006). Eine nächste Teilrevision dürfte wohl 2021 anstehen.


    Wer sich bis hierher durchgelesen hat, darf nun zur Belohnung die „Uri“ erkunden und einen 360°-Rundumblick nehmen von Kajüte, Hauptdeck, Restaurant, Salon, Oberdeck, Steuerhaus usw. Willkommen an Bord! welcome1
    PS: das nächste Mal geht es dann mit dem Bau los!
    Beste Grüße
    Claudia

  • Servus Claudia,


    ich sags mal so:


    Ei gugge da, hei levet noch!


    Freu mich daß die Uri wieder ersteht und hoffentlich über den Stand des damaligen Bauberichts hinaus weitergeführt wird. freu 2
    Die historische Einführung ist schon eine tolle Sache! Nur weiter so.
    Mal vorab die ketzerische Frage: Wieviele Stühle hast du noch vor dir? lala1


    Liebe Grüße


    Wiwo

  • party1 Da simmer dabei! Dat is prima! freu 2

    Lieben Gruß
    Andreas


    Modellbaubögen und Platinen vom "Bugsier 17/18", Fregatte Klasse 122, Feuerschiff "Fehmarnbelt", Schubverband "THYSSEN II", Schnellboote der Klasse 143A und 148, Forschungsschiff "Poseidon", Pontonanlage, "Neuwerk", Schwimmdock, Lotsenboote und die Leuchttürme Travemünde und Kiel gibt es exklusiv nur hier: www.jabietz.de/shop

  • Ui, das ist aber schön, wie die "Uri" hier zurückbegrüßt wird! Die echte würde sich bestimmt mit einem schönen langen Pfiff bedanken!


    Thomas: ja, da war in der Tat was mit der Vierwaldstätterseekarte am Steuerbord-Radkasten. Über gefüllte Teller (und die Kuchenvitrine auf dem OD) hingegen wurde nur spekuliert.
    Wolfgang: Von den Stühlen gibt es einen ganzen Vorrat, an denen aus der I. Klasse stichle ich gerade bei Regenwetter herum: das wird schon!


    Na, dann wollen wir mal ordentlich Dampf geben und zeigen, was bisher geschah:

  • Stabilität schadet nie, daher bestehen die Bodenplatte, der Mittelspant und das Spantengerüst aus solider Graupappe. Die Spanten wurden gestrakt, dann konnten die Seitenteile mit den bereits gestanzten Bullaugen befestigt werden. Bis auf die Heckpartie ergaben sich keine Schwierigkeiten, nur hätte ich achtern deutlich mehr Spanten einsetzen sollen.




    Der Rumpf der „Uri“ besteht aus mehreren Gängen genieteten Eisenblechs (in der Kajüte kann man die Nietenköpfe gut sehen). Ich habe sie aus Zeitungspapier nachgebildet, das Ganze lackiert und dann bemalt.


  • Die Anordnung der Gänge ist bei der „Uri“ etwas ungewöhnlich: normalerweise überlappen sich die Gänge stets in derselben Richtung und zwar so, daß der nächsttiefere Gang den vorhergehenden leicht überlappt (vgl. „Schiller“, „Gallia“).




    Bei der „Uri“ jedoch ist die Richtung oberhalb des Schergangs auf der Höhe des Unterdecks umgekehrt.



    Einde dritte Variante weist die „Unterwalden“ auf. Der Grund hierfür ist mir unbekannt, er hängt aber nicht mit der jeweiligen Herstellerfirma zusammen.


    Beste Grüße
    Claudia

  • Dieses Thema enthält 144 weitere Beiträge, die nur für registrierte Benutzer sichtbar sind, bitte registrieren Sie sich oder melden Sie sich an um diese lesen zu können.