Kogge nach dem Elbinger Siegel / ca. 1380 / 1:250 / mehr oder weniger Eigenbau

  • Ich möchte Euch zu einem kleinen Galeriebesuch einladen. Gastgeber ist das Modell einer Kogge nach dem Stadtsiegel von Elblag, im Mittelalter »Elbing«, von 1367. Die Basis zu meinem Modell aus Karton und Papier bildet ein uralter polnischer Baubogen von «Maly Modelarz» aus dem Jahre 1973 (Es gibt den Bogen inzwischen in weitaus besserer, überarbeiteter Form). Im Prinzip habe ich den Bogen von 1:100 auf 1:250 verkleinert und die Bauteile als Vorlagen zur Erarbeitung eigener Teile genommen.



    Bildquelle: Wikicommons

  • Das Schiffsmodell hat eine Länge von 10,3 Zentimeter, eine Breite von 3,3- und eine Höhe (Kiel/Mastspitze) von 11,6 Zentimeter


    Die ersten Koggen erscheinen etwa um 1200. Das aus dem germanischen stammende Wort »kok« für »Muschel« scheint der Ursprung der Bezeichnung zu sein. Diese einfachen, oft von Zimmerleuten aus dem Binnenland (die eher mit dem Hausbau beschäftigt waren), gebauten Schiffe, ermöglichten es maßgeblich dem Städtebund der Hanse zu expandieren. Da die Wasserstraßen im Mittelalter die Haupthandelswege darstellten, schufen sich die Kaufleute mit der Kogge ein für ihre Anforderungen ideales Gefährt. Die Schiffe konnten relativ einfach und fast schon standartisiert gezimmert werden. Pläne gab es sicher nicht, das Schiff entstand nach dem Gefühl und den Erfahrungen der Zimmerleute. Eine Kogge sollte wirtschaftlich sein. Wichtiger als die Reisegeschwindigkeit war der zur Verfügung stehende Laderaum. Wenige Leute sollten die Schiffe segeln um die damals schon herrschenden Personalkosten gering zu halten. Schon nach wenigen Fahrten hatte sich der Bau schon armortisiert.


    Zu Anfang des 13. Jahrhunderts konnten Koggen vermutlich 70 bis 80 Tonnen laden. Um 1350 schaffte ein durchschnittliches Schiff schon 120 bis 150 Tonnen (bei einer geschätzten Länge von knapp 30 Metern, einer Breite von ca. 7 Metern und einem Tiefgang von 3 Metern).


  • Eine Kogge wie die, die 1962 in Bremen gefunden wurde, hatte vermutlich 11 Mann Besatzung. Das Schiffe konnte soviel Ladung befördern wie an Land 44 vierspännige Wagen. Dem gegenüber standen also 44 Fuhrleute und 176 Pferde die aufgewandt werden mussten, um dieselbe Warenmenge wie die einer einzigen Kogge zu transportieren.


    Der Fund der erwähnten, sehr gut erhaltenen Kogge (von 1380) bei Baggerarbeiten in Bremen, schuf ab 1962 entscheidet unser Bild und Wissen der mittelalterlichen Hanseschiffe. Weitere Funde folgten in den Niederlanden, in Skandinavien und an der Deutschen und Polnischen Ostseeküste. Die Koggenforschung geht weiter und liefert laufend neue Informationen.


    Etwas zum Leben an Bord: Die 11 Mann Besatzung arbeiteten wahrscheinlich in Wachen zu je fünf Mann. Eine Person bleibt bei der Rechnung übrig: der Koch. Tatsächlich – so bestätigen Funde und Untersuchungen - achtete man auf den Schiffen auf gute Ernährung die von einem Koch zubereitet wurde. Es gab wechselweise Fleisch- und Fischtage. Der Schiffer (Schiff-Herr: er war zugleich Eigner und Kapitän) führte sogar einen besonderen Geldbetrag mit um während der Reise »grüne Speise«, also Gemüse und Obst, frisch einzukaufen.


    Warum weiß man heute davon? Weil seltsamerweise die Speisereste - statt aussenbords gekippt zu werden - in die Bilge, den tiefsten Schiffsraum, geworfen wurden. Ein Glück für uns, denn wir finden bei den Koggenwracks neben dem Kiel gleich die Überreste der Reiseverpflegung und können so Rückschlüsse ziehen. Ein Pech und eine Katastrophe jedoch für die Menschen des Mittelalters: Die Schiffe mussten bestialisch gestunken haben und - schlimmer - die Pest wurde durch Ratten in der Bilge nach Skandinavien gebracht: Die Nager hatten gute Nahrung und Lebensräume tief unten in den Koggen.


    Die Kogge segelte mit ihrem Rahsegel hauptsächlich vor dem Wind. Anbrassen war bedingt möglich um Am Wind Kurse möglich zu machen. Das Warten auf guten Wind verzögerte Reisen immens. Der Wind entschied ob Fahrten Tage oder Wochen oder gar einen Monat dauern konnten.


    Diese Kogge hat sich herausgeputzt. Wir stellen uns vor, dass sie unterwegs zu einem Hansetag ist und ihre Heimatstadt Elbing dort würdig repräsentieren soll. Farbige Segel und der Schmuck an der Bordwand waren etwas, was sich berechnende Kaufleute lieber sparten.


    Rote- und weiße Farben waren jedoch damals schon gut und günstig herzustellen (Ochsenblut und Bleiweiß bzw. Kalkfarbe). Die Farbkombination »Rot/Weiß« steht noch heute für die Farben der Hansestädte.


    Die Decksplanken waren zu guten Teilen lose in die Setzweger, quer zum Schiff eingelegt. Die losen Planken konnten zum Laden herausgenommen werden.


    Das Kreuz auf dem Masttop lässt die Kogge als friedliches Handelsschiff erkennen (Wobei im Kampf das Kreuz auch als Symbol für den Kampf um die gerechte Sache gedeutet wurde!)


    Das Achterkastell ist ringsherum durch Wände abgeschlossen. Eine kleine Öffnung für eine herausnehmbare Leiter bildet den einigen Zugang auf dieses Deck. im Falle eines Kampfes konnten sich die Verteidiger des Schiffes dort regelrecht verschanzen.


    Es gibt bei der Gestaltung dieses Aufbaus auch die historisch richtige Möglichkeit, das erhöhte Deck als Manöverdeck zu zeigen. Das heißt, die Schiffsführung stand auf dem nach vorn offenen Deck und gab Anweisungen an der darunter stehenden Steuermann und die Mannschaften führten von dort Segelmanöver mit den dort auflaufenden Brassen aus.


    Das Vorderkastell besaß die äusserst wichtige Funktion, als Plattform für den Lotgast zu dienen (Auf dem Elbinger Siegel ist deutlich zu sehen). Im Mittellater wurde mit dem Lot navigiert. Zum einen wurde die Wassertiefe ermittelt und zum anderen holte man Bodenproben vom Grund hervor. Dazu wurde das unten offene Senkblei mit Talg – der sog. »Lotspeise« – gefüllt damit Sand und Muscheln hängen bleiben. Der Schiffsführer konnte dann aufgrund der ermittelten Wassertiefe und den Bodenproben in seinen Segelanweisungen nachsehen, wo er sich befand. Navigation mittels Kompaß war im 14. Jahrhundert in der Ostsee noch unbekannt. Es war tatsächlich so, dass tagsüber die jeweilige Sandfarbe, die Bodenbeschaffenheit und die Wassertiefe zur Standortbestimmung reichte!


    Das große Bratspill mittschiffs hielt das Fall und diente auch zum Ankerlichten.


    Viel Freude bei der Beschau,


    Klaus




  • Ahoi Klaus,
    einen sehr informativen Artikel hast Du hier für uns verfasst.
    Auch Deine Kogge in 1 zu 250 ist sehr akkurat gebaut.
    Die wahrscheinlich gemalten Ziegel beim achterlichen Kastell,sind die authentisch?
    Bis dann
    Thomas

  • Ahoi Thomas,


    ... Dich hatte ich im Sinn als ich den Galeriebeitrag gepostet habe... happy 2
    Die Ziegelstruktur ist auf dem Siegelbild klar zu sehen. Beide Kastelle - vorn und achtern - waren zur Verteidigung ausgelegt und bekamen durch die Zinnen optisch einer Burg nahe. Warum sollte man nicht ein Ziegelmuster aufgemalt haben? Möglich ist das sicherlich.


    Der Modellbauer hier kam zu einem anderen Ergebnis:


    http://www.arbeitskreis-histor…ieder/modelle/kogge-1350/


    Auf den Modellfotos ist es schwer zu erkennen: Das Achterkastell hatte nur eine recht kleine Aufstiegsluke. Die anstehende Leiter konnte im Verteidigungsfall nach oben weggezogen werden so dass das Kastelll (Nomen est omen!) eine ganze Weile zu verteidigen war.


    Viele Grüße,


    Klaus

  • Vielen Dank für diesen schönen Galeriebeitrag!


    Besonders die historischen Informationen fand ich äußerst lehrreich und hochinteressant.


    Gruß Joachim.

  • Ahoi Klaus,


    du erfreust meine Augen immer wieder mit deinen kleinen Kunstwerken - so auch mit der schmucken Kogge. Und dein historischer Exkurs ist natürlich auch sehr willkommen.


    Bei diesem Teil hier musste ich sofort an DEN Film denken:

    Im Mittellater wurde mit dem Lot navigiert. Zum einen wurde die Wassertiefe ermittelt und zum anderen holte man Bodenproben vom Grund hervor. Dazu wurde das unten offene Senkblei mit Talg – der sog. »Lotspeise« – gefüllt damit Sand und Muscheln hängen bleiben.

    "Mr. Calamy, das Lot, wenn ich bitten darf!" - "Sand und Muschelschalen!" zwinker1

  • Huhu Bonden,


    genau DEN Film habe ich letztens auf DvD auf dem Trödel gekauft... Nur 2 Euro... als ich mich zhause über die schlechte Bildqualität geärgert habe wusste ich warum das Ding so billig war... eine osteuropäische Kopie... wut1 Dennoch anschaubar weil einfach ein erstklassiger Film!


    Danke an alle anderen für das Interesse an meinen langen Ausführungen und an meinem kleinen Modell prost2


    KoggenKlaus