Klaus‘ SANTA MARIA / um 1480 / 1:250

  • Die SANTA MARIA...


    Was muss man zu dem Schiff noch sagen? Neben der Arche Noah und der TITANIC ist das Flaggschiff des Christoph Kolumbus sicher das berühmteste Schiff der Welt. Obwohl ich eigentlich nicht zu den „berühmte-Schiffe-Modellbauern“ gehöre, möchte ich aber nun doch mein Modell im Maßsstab 1:250 zeigen. Und das ist „scratch“ gabaut, aus Papier und Karton nach Bauplan ohne Baubogen oder Fertigteilen. Weil hier viele eigene Überlegungen und Beobachtungen in das Modell eingeflossen sind, heißt der Beitrag eben auch »Klaus‘ SANTA MARIA«


    Bevor es mit den Modellvorstellung losgeht, muss ich Euch mit einem kurzen Theorieteil nerven. Ohne den geht es leider nicht...


    Zur Einstimmung ein Holzmodell das ich einmal auf einer Ausstellung gesehen habe. Eine der vielen Darstellungen der „Heiligen Maria“ (Dieses Modell ist NICHT von mir!)


  • Was muss man zur SANTA MARIA sagen? Eine ganze Menge! Ich will mich aber kurz fassen und versuchen, einen kleinen Einblick in die komplexe Welt der Rekonstruktionsversuche - soweit ich Einblick darin habe - geben. Denn so berühmt das Schiff ist, wir wissen davon kaum etwas. Authentische Bilder oder gar Pläne gibt es nicht. Den Zeitgenossen war das Ergebnis der Fahrt des Kolumbus wichtig und wert dokumentiert zu werden, die beteiligten drei Schiffe waren bloß Mittel zum Zweck.


    Wir wissen aus dem Bordbuch des Kolumbus (das lediglich in einer veränderten Abschrift populär gemacht wurde) dass der große Entdecker mit seinem Flaggschiff sehr unzufrieden war. Er klagt über die Schwerfälligkeit des Schiffes und die schlechten Segeleigenschaften. Die begleitenden PINTA und NINA waren weitaus schneller. Die SANTA MARIA war ca. 100 Tonnen groß (berichtet posthum Kolumbus Sohn). Welche Tonnen gemeint sind (die Sevillaner-, Katalanischen- oder Genuesichen Tonnen ist offen). Das Schiff hatte ein Poopdeck über der Kabine des Kolumbus, ein Blindesegel, ein Focksegel, ein Großsegel mit zwei Bonnets (Segelerweiterungsflächen), ein Toppsegel und einen Besan. Zusätzlich wurde bei gutem Wind ein Segel des Beibootes (das war demnach auch an Bord oder wurde mitgeschleppt) gesetzt.


    Kolumbus startete in der Hafenstadt Palos de la Fronterra. Die Stadt hatte Königin Isabella eine Schuld zu begleichen. Die Königin wandelte die Schuld in die Beschaffung eines Schiffes für Kolumbus. So wird die Motivation der Stadtväter etwas besonders gutes und passendes zu suchen sehr gering zu bewerten sein. Entsprechend wird die SANTA MARIA - die vorher vielleicht andere Namen trug - ein älteres Schiff mit großen Laderäumen gewesen sein. Jedenfalls war sie sicher nichts prächtiges oder hochmodernes.


    Das wars!


    Dennoch gibt es Tausende von Modellen die alle mehr oder weniger das Flaggschiff von 1492 darstellen.


    Es gibt zahlreiche Darstellungen von Schiffen um 1500 herum. Auf Altarbildern gemalt, auf Reisebeschreibungen mit Holzschnitten illustriert oder in allgeminen Schiffbauanweisungen.


    Als Beispiel eines der bekanntesten und - wie ich finde: schönsten - Rekonstruktionsversuche möchte ich den 1:1 Nachbau von 1892 nennen. Die Bilder zeigen ein Modell davon im Danziger Schifffahrtsmuseum.


    Leider ist diese Darstellung längst nicht mehr historisch haltbar. Die oben erwähnten Abbildungen zeigen allesamt z.B. kein Spiegelheck bei den großen, seegehenden Schiffen (bei Karavellen wohl schon!), ein aufgesetztes Bugkastell (kein in den Rumpf integriertes Backdeck wie im Modell), das Toppsegel war mit Sicherheit quadratisch, die Schoten liefen im Mastkorb zusammen (nicht auf den Großrahnocken). Die Rüsten, die Jungfern und die Webleinen werden ebenfalls angezweifelt bzw. bestätigt dass sie spätere zutaten sind. Ferner ist man heute vorsichtiger was die Üppigkeit von Farben, Wappenschilden und Dekorationen angehen.


    (Das Modell auf den Fotos ist ebenfalls nicht von mir. Ich habe es 2013 im Danziger Schifffahrtsmuseum fotografiert)


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  • Woher ich das alles weiß?
    Ich habe vier Bücher die ich als Informationsquelle gerne nutze und den Interessierten unter Euch empfehlen möchte:


    Zum ersten „Die Schiffe des Christoforo Colombo“ von zu Mondfeld, Holz und Soyener (Koehler). Dieses meinungsstarke Buch führt die wichtigsten Rekonstruktionsversuche auf und erklärt, was daran historisch richtig oder nicht richtig sein kann. Die drei Autoren stellen ihre eigene Rekonstruktion vor, die losgelöst von den vorhandenen Entwürfe die vorliegenden bildlichen- und textlichen Quellen zum Schiffbau zwischen 1450 und 1500 auswerten. Im Detail werden alle Konstruktionspunkte durchgegengen und deren Lösung und Darstellung präzise begründet. Leider liegen dem Buch keine Pläne bei. Die Planmappe muss extra gekauft werden.


    Mir gefällt dieses Buch sehr gut. Es lehrte mich, historische Abbildungen zu hinterfragen und Dinge nach ihrer Möglichkeit und Funktionalität zu bewerten.



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  • „Die Kolumbus-Schiffe“, Pastor (Delius-Klasing).


    Fast zeitgleich zum erstgenannten Buch erschien 1992 dieser schwache Band aus der Reihe „Anatomy of ships“. Hier werden ähnlich wie im „Mondfeld-Buch“, jedoch bedeutend dünner, ältere Rekonstruktionen analysiert und die damalige spanische Rekonstruktion zur 500-Jahr Feier der Entdeckung Amerikas vorgestellt. Das Buch besitzt viele Zeichnungen nach denen sich ein schönes Modell bauen lässt. Leider eiert in vielen Bereichen die deutsche Übersetzung, bei den Zeichnungen wird der Großmast fast überall als „Kreuzmast“ bezeichnet, das Focksegel heißt oft „Blinde“. Manchmal tauchen in den Plänen Details auf die auf weiteren Ansichten dann fehlen oder gar doppelt sind (Niedergänge und Kanonenpforten z.B.). Die Darstellung der Führung des Bugsprietes in der Draufsicht fehlt ganz... Wenn Ihr Euch auf dem Umschlagbild die Führung der Fockbrassen durch das Großsegel hindurch anseht kann das auch nicht so ganz stimmen...


    Trotz allem lohnt die Anschaffung da wieder andere Kriterien und Ergebnisse als im anderen Buch genannt werden. Und mit dem im anderen Buch vermittelten kritischen Blick erkennt man die Stolperfallen ganz gut.



  • „Die katalanischen Não“, Winter (Loef, antiquarisch zu bekommen, zwischen 22 und 77Euro).


    Dieses extrem interessante Büchlein beschreibt das „Mataro-Schiff“. Es geht um ein ca. 1450 gebautes Schiffsmodell aus einer Kirche im Ort Mataro bei Barcelona. Ein Modell aus Kolumbus-Zeiten das den Schiffstyp der „Não“ (von lateinisch „navis“ = Schiff) darstellt. Es handelt sich vermutlich um eine Seemannsarbeit die in den Proportionen falsch, in den Details aber als richtig bewertet wird.


    Ein hochinterssantes Thema!


    Schaut mal bei Wikipedia unter dem Suchbegriff „Mataro-Modell“ nach. Dort führt ein Link zum Prins Hendrik Museum in Rotterdem in dem das Modell ausgestellt ist. Es gibt dort Zeichnungen des Modells das u.a. die besondere Lage der Decksplanken zeigt.


    http://de.wikipedia.org/wiki/Matar%C3%B3-Modell


    Die wichtigste Erkenntnis ist aber, dass Schiffe in der Zeit durchaus mit einem v-förmigen Spantenschnitt gebaut wurden. Bis dahin ging man eher vom u-förmigen Querschnitt aus (der Fund der Bremer Kogge 1962 bestätigte die V-Form in der Praxis). Dem folgend hat das Team um zu Mondfeld ihre Rekonstruktion der SANTA MARIA mit einem v-förmigen Rumpfquerschnitt angelegt.


  • Der Vollständigkeit halber habe ich mir in der noch antiquarisch das vierte, zum Thema allgemein hin relevante Buch gekauft. Es ist ein Band aus der Modellbaureihe von Delius-Klasing, ursprünglich in der ehemaligen DDR erschienen, und heißt Die Kolumbusschiffe von 1492. Autor ist wie beim dritten Buchtipp Heinrich Winter.


    Da der Band sehr alt ist - mein Exemplar ist in dritter Auflage 1980 im Westen erschienen - weiß ich nicht wie alt das Original ist. Der Text entspricht daher nicht mehr den neusten Forschungsständen. Dennoch ist das Buch interessant und behandelt in der Hauptsache die verschiedenen Rekonstruktionsversuche die vor 1992 gemacht wurden.


    Seltsam ist dass dem Buch Modellbau-Pläne einer Rekonstruktion beiliegen die im Buch als nicht zutreffend beschrieben ist. Es geht um die - zugegebenermaßen sehr schöne - Darstellung von Adametz die ich hier eingangs mit einem Modellbild aus Danzig vorgestellt habe (es geht um die Modellfotos im zweiten Beitrag).


  • Mein kleines Modell ist hauptsächlich nach den Plänen aus dem Buch von Xavier Pastor gebaut.


    Warum?


    Weil ich schlicht die Mondfeld-Pläne nicht habe und mir die Linien des anderen Entwurfes - mit u-förmigen Spanten - besser gefallen.
    Inkonsequent? Naja, alle Konstrukteure haben ihre Gründe für ihre Ergebnisse.
    So gibt es auch eine Reihe Gründe für die etwas fülligere, runde Form die mir so gut behagt... [Blockierte Grafik: http://files.homepagemodules.de/b564537/a_100_5050b942.gif]


    Mein Modell ist aber durchsetzt mit den Gedanken und Erkenntnissen aus allen genannten Büchern.
    Gebaut habe ich nach dem Motto »The best of both worlds«

  • Weiter geht‘s. Aus dem »Weißmodell« wird nach und nach ein kleines Segelschiff.
    Bemalt ist das Modell mit Aquarell- und Acrylfarben (Schmincke bzw. Revell). Die Segel sind aus zusammengeklebten Papier mit innen liegenden Drahtstücken.


    In den Modellbau floss der oben geschilderte Rechercheaufwand in vielen Details ein.





  • Der oben zu sehende, provisorische Ständer wurde am Ende durch eine Kartonplinte abgelöst. Der Unterbau aus Graupappe ist mit braunem Tonpapier überzogen. Durch Beize und Aquarellfarbe entstand die Holzoptik. Die Beschriftung setzte ich mir im Rechner, druckte sie spiegelverkehrt aus und bemalte das Blatt von hinten ockergelb. Durch das Ausschneiden kamen dann die Buchstaben bemalt in der richtigen Richtung ohne Outline heraus.


    Das Modell ruht auf zwei Zahnstochersockeln welche mit Papier umklebt sind



  • Servus Klaus.
    ich falle vom Glauben ab...
    Was für ein Modell!!
    Hammer!
    Da kann man nur Beifall klatschen.
    Baust du "die Kleine" und "die Bunte" (Nina und Pinta) auch noch?
    Wäre schön wenn die Flotte komplett ist.
    Schön das du die beiden Bonnets, das quadratische/dreieckige Topsegel und den vierten Behelfsmast berücksichtigt hast.
    Die werden nämlich in der Regel gerne unterschlagen.


    Das Mondfeld Buch zu den Kolumbusschiffen finde ich ausgesprochen gut, weil
    dort auch Denkanstöße gemacht werden, wie die drei Schiffe beschaffen bzw ausgesehen haben könnten und man im Ausschluss verfahren zu einer möglichen Lösung kommt
    Ideen die man in anderen Büchern sehr vermisst.


    Zur katalanischen Nao in Rotterdam gibt es Hinweise, das das Modell mindestens noch einen zweiten Mast bzw einen dritten gehabt haben könnte.


    Gruß Albrecht (wartend auf Nina und Pinta)

  • moin1 Albrecht,
    Ha! DU hast bemerkt das meine SANTA MARIA ein Viermaster ist! Sehr gut! streichel1 Darauf hat mich bisher noch nie jemand angesprochen. Ob das Flaggschiff noch seine beiden Begleiter bekommen wird ist offen. Ich kann mir jedoch vorstellen, wennschon dann die ganze Flotte als Wasserlinenmodelle in ein kleines Diorama zu setzten. Dazu würde ich die SANTA MARIA dann nochmal basteln müssen... Da ich schon ein Modell einer portugisischen Karavelle habe, war damals der Drang die NIÑA und die PINTA noch hinzu zu bauen eher klein... Die PINTA würde mich schon reizen... Warten wir es ab. Vorher soll jedenfalls noch meine kleine spanische Galoene fertig werden und noch eine andere Sache...


    Die katalanische Nåo birgt viele Rätsel. Das Modell ist im laufe seines langen Lebens schon durch so viele Hände gegangen dass viele Dinge daran fragwürdig sind. Die Frage nach der ursprünglichen Anzahl der Masten ist eines der Rätsel.


    Viele Grüße,


    Klaus

  • Hallo Holger,
    Bei deiner Santa Maria gibts noch mehr hervor zu heben als nur den 4 Mast.


    z.B. keine Wanten im herkömmlichen Sinn.
    Zum einen kamen die damals erst in Mode, zum anderen wurden die Segel zum niederholen an Deck abgefiert.
    Wanten waren also nicht zwingend nötig.
    Korrekt die Steigleiter zum Mastkorb.
    Auch richtig sind die Kreuze auf den Segeln (Kleeblattkreuze) und keine Malterserkreuze oder sonst welche Kreuze, wie so oft benutzt. Ebenso ist das Toppsegel korrekt getakelt.
    Nämlich zum Mastkorb hin und nicht über Blöcke zur Großrah und an Deck.
    Was ich vermisse ist Kolumbus Admiralsstandarte.
    Die große Königsflagge mit Madonna im Strahlenmandorla kann ich sehen.
    Habe mir die Flaggensätze vor ein paar Jahren im Corel Draw selbst mal gesetzt. Die Mandorla war eine ganz schöne Fummelarbeit.
    Gruß Albrecht

  • Hallo Klaus,
    sehr spannend was Du da schreibst.
    Die Umsetzung,das auch noch in 1/250, ist Dir ist dir ansprechend gelungen.
    Was nimmst du für ein Garn zum takeln und wie lange dauert bei Dir so ein Projekt?
    Hanseatische Grüsse
    Thomas

  • Hallo Klaus,


    jetzt habe ich erst einmal - 5-Cent-Stück ! - gesehen, wie "klein" Deine Schiffe WIRKLICH sind - oh1
    Die Details in dem Maßstab lediglich aus Büchern herauszuziehen und freihand zu so einem stimmigen Modell umzusetzen geht für mich eher in Richtung künstlerische Begabung.


    Beeindruckte Grüße,


    Robert

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