Dampfschiff MAGDEBURG / 1816 / 1:250 / Eigenbau nach Plan

  • ... ich habe mal wieder Lust einen kleinen Baubericht zu schreiben...


    Es soll ein kleines, einfach zu machendes Modell werden: der frühe Seitenraddampfer MAGDEBURG. Das damals hochmoderne Schiff war im Jahre 1817 für kurze Zeit auf der Elbe zwischen Hamburg, Magdeburg und Berlin in Fahrt (nicht zu verwechseln mit dem Schiff STADT MAGDEBURG welches etwas später gebaut wurde). Es ist der Urahn der modernen Binnengüterschiffe auf der Elbe!


    Zur Einstimmung auf die Zeit in der ich mich bewege, kommt hier eine alte Ansicht der Stadt Magdeburg aus dem 19. Jahrhundert:



    Der englische Kaufmann John Barnett Humphreys gründete 1815 die erste Dampfschifffahrtsgesellschaft Preußens. In Pichelsdorf – damals noch bei Berlin, heute in Berlin in der Nähe des Olympiastadions – errichtete er eine erste Werft. Dort wurde 1816 das erste in Deutschland gebaute Dampfschiff, die PRINZESSIN CHARLOTTE VON PREUSSEN, gebaut und in Fahrt gebracht. Von diesem Passagierschiff mit Mittelradantrieb gibt es eine Farblithografie:



    Die MAGDEBURG war im Gegensatz dazu ein reines Frachtschiff welches mit einer 20 PS Dampfmaschine die Strecke zwischen Hamburg und Magdeburg in 72 Stunden fuhr (die bis dahin üblichen Segel- und Treidelkähne benötigten vermutlich mehr als eine Woche für diese Distanz!). Der Dampfer konnte dabei 7,5 Tonnen Ladung transportieren und einen- oder mehrere Kähne in Schlepp nehmen. Es war das erste Dampfschiff überhaupt welches Magdeburg erreichte. Eine Sensation! Auch die Ladekapazität übertraf deutlich die der bislang eingesetzten Schiffe. Klar dass diese technische Innovation am Flussufer nicht nur Freunde fand! haue 3


    Mehr zu der interessanten Person Humphreys gibt es hier zu lesen:


    https://de.wikipedia.org/wiki/John_Barnett_Humphreys


    Interessant ist die Tatsache, dass nur ein Drittel der Reisezeit damals mit Fahren verwandt wurde. Die restliche Zeit wurde mit dem Warten vor Schleusen und vor allen an den damals noch bestehenden Zollgrenzen vertrödelt. Die Maschine musste bei der manchmal stundenlangen Warterei unter Feuer gehalten werden und die damals teuren Fachkräfte zu deren Bedienung bekamen ebenfalls ihren Lohn fortgezahlt. Im unten genannten Buch wird berichtet, dass einmal sechs Stunden Wartezeit anfielen um 12 Groschen Zoll zu bezahlen. Der Verlust in dieser Zeit betrug jedoch 6 Gulden! Diese Warterei machte die ersten Dampfer sogar letzendlich unrentabel sodass die vielen Anteilseigner der Gesellschaft ungeduldig auf Gewinne warteten. Die MAGDEBURG wurde daher schon nach wenigen Fahrten von Gläubigern in Hamburg als Pfand festgehalten und bald schon dort abgebrochen.


    Bilder oder gar Pläne gibt es von dem Schiff nicht. Anhand erhaltener Inventar- und Frachtlisten konnten die technischen Eckdaten von Fachleuten aber halbwegs bestimmt werden. Die oben gezeigte zeitgenössische Abbildung der PRINZESSIN CHARLOTTE diente dabei zur Festlegung von Details und zur Farbgebung. Mein Plan kommt aus dem Buch von Reiner Wachs: Die Dampfer der ersten Dampfschiffahrtsgesellschaft auf Elbe und Havel. Näheres zu dem Band aus der »Blauen Reihe« gibt es hier:


    http://www.modellmarine.de/ind…ntent&view=article&id=928



    Das Schiff ist als Modell denkbar einfach gehalten. Da ein genau zu treffendes Vorbild mangels Abbildungen fehlt, gilt es eigene Gedanken einfließen zu lassen. Und da mir ein Kartonbogen zu dem Schiff unbekannt ist, baue nach Plan im Maßstab 1:250. Einzelne Bauteile habe ich mir vor Jahren schon am Rechner angelegt. Es wird nun Zeit das Ding endlich mal zu bauen... happy 2


    Der Dampfer soll als Wasserlinenmodell in einem kleinen Diorama daherkommen. Vielleicht mit einem Kaffenkahn im Schlepp? Oder ein Elbkahn wird am Ufer getreidelt während der Dampfer lässig vorbeizieht? Mal sehen... Vielleicht kommt während des Baus oder des Berichtes hier eine gute Idee?


    Hier entsteht nun also bald ein Dampfer aus der Biedermeierzeit unter preussischer Flagge mit Hilfssegel am Mast.


    Fortsetzung folgt: Klaus prost2

  • Vielleicht kommt während des Baus oder des Berichtes hier eine gute Idee?

    Hallo Klaus,


    nach den interessanten Hintergrundinformationen könnte ich mir gut ein Schleusen-Diorama vorstellen.
    Das Dampfschiff Magdeburg in der Schleuse, die gelangweilte Mannschaft aufgereiht an der Reling und der Kapitän bei der Übergabe der Gulden und Groschen an den Schleusenwärter...., so ungefähr.


    Viele Grüße
    Roland

  • Hallo Klaus,
    nach den interessanten Hintergrundinformationen könnte ich mir gut ein Schleusen-Diorama vorstellen.
    Das Dampfschiff Magdeburg in der Schleuse, die gelangweilte Mannschaft aufgereiht an der Reling und der Kapitän bei der Übergabe der Gulden und Groschen an den Schleusenwärter...., so ungefähr.


    Viele Grüße
    Roland

    moin1 Roland,
    schau, das habe ich noch gar nicht überlegt daumen1 . Ich müßte mal forschen wie so eine Schleuse oder Zollstation aussah um so eine Szenerie zu schaffen. Am Ufer sollte dann auch eine staunende Menschenmenge stehen und der Schiffer muß eine Zorneswolke ob des teuren Zeitverlustes über seinem Kopf haben... denk1


    Klaus

  • Und an der Dampfmaschine kannst Du Dich auch austoben! Müßte eigentlich ein englisches Urviech mit Balancier sein. Nur, hmm... das verschwindet dann wohl alles unter einer "Hütte" über und vor der Achse (s. Farbbild). Gibt es in Deinem Buch irgendwelche Hinweise?


    Ich bin auf jeden Fall dabei, und wenn die erste Reihe schon ausgebucht ist, verziehe ich mich halt in den Maschinenraum!


    Beste Grüße
    Claudia

  • Und an der Dampfmaschine kannst Du Dich auch austoben! Müßte eigentlich ein englisches Urviech mit Balancier sein. Nur, hmm... das verschwindet dann wohl alles unter einer "Hütte" über und vor der Achse (s. Farbbild). Gibt es in Deinem Buch irgendwelche Hinweise?


    Ich bin auf jeden Fall dabei, und wenn die erste Reihe schon ausgebucht ist, verziehe ich mich halt in den Maschinenraum!


    Beste Grüße
    Claudia

    Die Dampfmaschine war auf der PRINZESSIN CHARLOTTE eine doppelarmige Seitenbalancier-Maschine um schön flach unters Deck zu kommen. Laut meinem Buch ist anzunehmen, dass die MAGDEBURG eine baugleiche, wennauch stärkere Maschine besaß (Mit satten 20 PS zur 14 PS Maschine der PRINZESSIN).


    Und klar: dieses damalige High-Tech Bauteil kam aus dem Land welches damals führend in der Herstellung neuer Maschinen war. Der Hersteller war wahrscheinlich die Firma Boulton, Watt & Co. in Soho bei Birmingham. Während die deutschen Landen unter der Kleinstaatlichkeit zu leiden hatten welche Fortschritt und Entwicklung behinderte oder gar verhinderte. Vom Antrieb wird bei der MAGDEBURG jedoch nichts zu sehen sein, es gibt noch nicht einmal eine Luke oder Pforte die offen stehen könnte um Einblick zu gewähren...

  • Hi Klaus,


    dann nehme ich doch direkt mal in der ersten Reihe Platz. Auf Deinen Bericht freue ich mich

    tschö1 Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Ganz baugleich war die Maschine wohl nicht: der Fortschritt war so rasant, daß gerade bei Schiffsmaschinen stets irgendwas schon wieder ganz anders war. Du bezogst Dich aber wohl auf den Typ der Maschine (Seitenbalanciers), und da stimmt es: etwas Anderes, nämlich die platzsparende oszillierende Maschine, gab es damals noch nicht.


    Ich finde diese Pionierzeit unglaublich spannend, nicht nur vom technischen Standpunkt her. Bei den Raddampfern kann man zudem beobachten, daß die Initiative fast immer von Privaten kam, selten vom Staat, und manche brachten riesige finanzielle Opfer. Man muß sich die Entwicklung der Dampfmaschinentechnik im 19. Jhdt. etwa so vorstellen wie die der Computertechnik: rasend schnell, aufregend, mit enormen Fortschritten und Maschinen, die schnell veralteten.


    Das wird ein prima Baubericht, da bin ich mir sicher!


    Beste Grüße
    Claudia

  • Und los gehts:


    In klassischer Spantbauweise baute ich das Rumpfgerippe auf. Grundplatte, Mittelspant und Spanten schnitt ich aus den Planunterlagen heraus. Die Bauteile habe ich mir auf 140 g Karton gedruckt. Das Deck ist selbstgezeichnet. An Deck gibts lediglich acht Ladeluken, einen Niedergang, einen Ruderstand, ein Schornsteinfundament, Ankerspill und Knechte. Sehr übersichtlich halt...


    Den Niedergang habe ich aus dem Deck ausgeschnitten. Eine Ladeluke auch. beides soll später im geöffneten Zustand zu sehen sein. Den Ausschnitt für den Niedergang habe ich erst später mit der Bastelschere aus dem Mittelspant geschnitten. Vorher wäre sauberer gewesen... verlegen1


    Den Rumpf habe ich ein Stückchen höher als die KWL angelegt. So wirkt das Schiff eben ein wenig höher, nicht ganz vollgeladen.


    Da der Rumpf fast symetrisch ist, habe ich im ersten Anlauf auch gleich die Grundplatte falsch herum unter den Mittelspant geklebt... mahlzeit1 Also nochmal runter damit und eine neue Platte geschnitten. Die Bauteile mehrfach ausgedruckt zu haben lohnt sich!


  • Zu erkennen ist, dass mittschiffs das Deck eine Erhöhung bekommen wird. Diese war nötig, um den Freilauf der relativ großen Schaufelräder zu ermöglichen. In diesem Bereich ist der Rumpf nun also zunächst einmal offen.


    Das mit Kreide und Aquarellfarbe eingefärbte Deck kam nun auf das Spantgerippe.


    Um eine Bordwandabwicklung zu bekommen, habe ich mein Konstrukt über ein Stempelkissen laufen lassen und den Abdruck auf Karton übertragen. Die offenen Linien habe ich dann mit Bleistift und Lineal verbunden. Dummerweise lief die Stempelfarbe auf den Decksrand so dass ein neues Deck fällig war... mahlzeit1


  • Und schon präsentiert sich der Rumpf im Rohbau. Die Formen sind denkbar einfach. Das Spiegelheck hat zum Achtersteven noch eine kleine Zwickelplatte beidseits bekommen. Aber sonst ist der Rumpf mehr als einfach. Eigentlich nur ein angespitzter Kasten.


  • Wie die Farbgebung beim Original war – und wie der Dampfer überhaupt aussah – weiß heute niemand mehr (siehe den ersten Beitrag hier im Bericht). Also habe ich mich, wie im Buch vorgeschlagen, an die Farbe Grün gehalten. Den unteren Teil des Rumpfes habe ich ockerfarben angemalt.


    Der Rumpf ist mittig nun auch mit der Deckserhöhung verschlossen. Hinten habe ich je zwei Sprossenfenster aufgeklebt. Sie brachten etwas Licht in den Maschinenraum und die Mannschaftsunterkünfte.


    Das Rümpfchen klebt nun mit Fixogum auf einer Glasplatte um beim Arbeiten nicht dauernd das Modell anfassen zu müssen.


    Soweit das....


    Fortsetzung folgt: Klaus


  • Servus Klaus,


    darf ich mich auch unter die Zuschauer mischen? hüpf1
    Der Rumpf ist zwar noch nicht fertig, aber das Projekt ist jetzt schon spannend! Ich freue mich immer, so gute historische Erklärungen zu lesen! klasse1

    Herzliche Grüße / Best regards,
    Andreas

    Optimismus ist die Kunst, mit dem Wind zu segeln, den andere machen.
    Alessandro Manzoni (1785 – 1873)


    Buddys Kartonuniversum

  • moin1 ,
    Der Rumpf ist fertig. Es kommt nun das wichtigste am Raddampfer: Die Schaufelräder mit ihren Radkästen.
    Das Original hatte laut einer erhaltenen Inventarliste "große eiserne abschraubbare Wasserräder". Meine Buchvorlage geht von einem Durchmesser von 4,88 Metern aus. Die Radschaufeln waren noch starr auf die Speichen gesetzt. Mit der 20 PS Maschine kam der Frachter vermutlich auf eine Geschwindigkeit von 15 km/h (nebenherlaufen konnte also durchaus anstrengend werden... schwitz1 ). Zum Schleppen von Kähnen reichte die Kraft aber wohl nicht wie ich erfahren konnte. So fällt ein Diorama mit Schleppverband aus....


    Die Räder habe ich nur im unteren, später sichtbaren Bereich ausgeschnitten. Vorderseite und Rückseite habe ich mit Abstandhalter aufeinandergeklebt. Hier ist die ganze Chose - Räderteile und Radkästen - unbemalt zu sehen.



    Darf ich Euch meinen Helfer vorstellen? Ich habe mir in einer Druckerei ein paar gebrachte Bleiletter besorgt. Die haben ein ideales Gewicht um kleine Bauteile zu fixieren und vor allem einen rechten Winkel um Bauteile beim Kleben passend zu halten.

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