"Flying Cloud", 1851 Clipper, 1:220 Scratchbau

  • Moin zusammen,


    jaja ich weiss ... noch sooo viele Bauten angebrochen, aber er kann's natürlich nicht lassen, sich ebenfalls an der GS 2019 zu beteiligen. Natürlich wieder mit einem Schiff, scratch wie üblich. Diesmal werde ich allerdings nicht so lange dafür benötigen wie für die Olympia, denn das Objekt der Begierde ist ausreichend recherchiert, die Pläne sind vernünftig zu skalieren und das Schiff trägt weder Geschütze noch allzuviele Beiboote mit sich herum.


    Das Original

    Das Original ist der 1851 von Donald McKay gebaute Klipper (Clipper) Flying Cloud, der am 15. April 1851 in East Boston, Massachusetts, vom Stapel lief.


    Sie vermaß 69m an Deck bei einer Verdrängung von 1782 Tonnen, war also deutlich größer als vergleichbare britische Schiffe, allerdings war sie auch kein "Teeklipper", sondern ein "Packet", also ein Frachtsegler, dessen Zweck die Verbindung zwischen den Städten der West- und der Ostküste der Vereinigten Staaten war.
    In den 50er Jahren des 19. Jahrhunderts gab es noch keine direkten Zuganbindungen (die erste Transkontinentale gab es erst 1869); die einzige Möglichkeit, von New York nach San Francisco zu kommen UND dabei seinen Skalp zu behalten, führte am Doppelkontinent herunter, um das Kap Hoorn herum und wieder hinauf.
    Die berühmteste Rekordreise der Flying Cloud fand 1854 statt, als sie für die gewaltige Strecke 89 Tage und 8 Stunden benötigte - dieser Rekord hielt sich bis ins Jahr 1989.


    Weitere Bekanntheit erlangte sie durch ihren weiblichen Navigator Eleanor Creesy, die Gattin ihres Kapitäns, die sich seit ihrer Kindheit mit Ozeanographie und Wetter beschäftigt hatte und mit der Hilfe der Windkarten Matthew Fountaine Maurys der Flying Cloud zum berechtigten Ruf eines der schnellsten und zuverlässigsten Schiffe jener Route zu sein.


    Der Bau der Flying Cloud war übrigens auch durch den Goldrausch in Kalifornien motiviert; der Auftraggeber des Baus, Enoch Train, war begeistert von der Idee, einen 2000-Tonnen-Klipper auf die Reise zu schicken, um daran ordentlich mitzuverdienen. Während des Baus, der ihn 50.000$ gekostet hatte, schaltete sich jedoch die Reederei Grinnell, Minturn & Co. ein und kaufte Train das Schiff für 90.000$ ab - wer kann dazu schon "nein" sagen?


    Unter deren Hausflagge segelte die Flying Cloud erfolgreich bis 1862, als sie an die britische Black Ball Line verkauft wurde, für die sie zwischen Großbritannien und Australien/Neuseeland pendelte (diese Strecke fuhren nach Eröffnung des Suezkanals und dessen Nutzung durch Dampfschiffe auch sehr viele ehemalige Teeklipper; das Hauptfrachtgut war Getreide).


    Zuletzt war sie zwischen Newcastle und Kanada in der Holzfahrt unterwegs.


    Am 19. Juni 1874 rannte sie bei St.John, New Brunswick, auf Grund und wurde vor Ort verkauft und zur Metallgewinnung verbrannt.


    Die Pläne


    Donald McKay baute nicht nach Plänen. Vielmehr fertigte er Halbmodelle aus Holz an, denen er anschließend die Templates für die einzelnen Bauteile des Schiffs entnahm. Leider ist nach seinem Tod der größte Teil seiner beachtlichen Sammlung in einem strengen Winter zu Feuerholz geworden, so dass letztendlich niemand zu 100% sagen kann, wie die Flying Cloud denn nun so ganz genau ausgesehen hat. Gemälde gibt es, auch Rekonstruktionen und Beschreibungen, aber keine einzige Fotografie oder mindestens Daguerreotypie dieses Schiffs.
    Aus allen verfügbaren Informationen hat Scott Bradner eine Art Online-Katalog gestrickt, der so ziemlich alles enthält, was man für ein Modell braucht. Und das Beste: Alles kostenfrei. Hier der Link: SOBCO
    Die Pläne sind sämtlich in 1:96, lassen sich einwandfrei skalieren und die Texte zum Schiff sorgen für eine perfekte Beschreibung des Ganzen. Man kann also auch mit einem Großprojekt problemlos durchstarten.


    Das Modell


    Es wird, wie gehabt, ein Vollrumpfmodell in Spantbau mit meinen guten alten Bekannten, dem 300g/m² Tonkarton und dem 135g/m² Skizzenpapier, ergänzt um Taschentuch und Serafil in der Takelage und Acrylfarben am Rumpf (Ausnahme: der in Messingfarbe zu streichende Muntzmetallboden). Im Maßstab 1:220 gehalten, misst der Rumpf vom Heck bis zur Galionsfigur moderate 32,5 cm.


    Zu guter Letzt noch ein paar Impressionen dessen, was ich da vorhabe - 2 Gemälde und ein Modell (gefertigt 1916) aus dem Museum Of Fine Arts in Boston:





    Meine Fortschritte sind aktuell eher digitaler Natur: Skalieren, Testdruck, Vermessung, Spanten vorbereiten etc.



    Ich freue mich auch diesmal wieder auf einen interessanten Wettbewerb.


    LG Alex

  • Ein Clipper, dafür bin ich immer zu haben: ich liebe diese Rennhunde der Meere, diese übertakelten Segelpyramiden! Mich hast Du schon mal an Bord, das lasse ich mir nicht entgehen!


    Beste Grüße und viel Erfolg!
    Claudia

  • Hallo Alex,


    nachdem ich Deinen letzten Wettbewerbsbeitrag so genossen habe, freue ich mich natürlich auch auf diesen ganz besonders.


    Ich wünsche Dir viel Freude und Erfolg beim Bau und im Wettbewerb.


    Viele Grüße

  • moin1 Alex,


    feines Vorhaben! Ich freue mich auf meine tägliche Lektüre Deiner Bauschritte (so wie ich es bei Deiner OLYMPIA genossen habe).
    Danke für den super Link! Da ist ja alles mundgerecht und klar herausgezeichnet! Sogar die Segel! Viel Spaß und Erfolg bei Deinem neusten Werk.


    ... und @Gnost bekommt von mir ein »Like« für seine hüstelnde Galeonen-Erinnerung... prost2


    Viele Grüße,


    Klaus

  • Das Schiff scheint eine grosse Aehnlichkeit mit der Cutty Sark zu haben, eines der schoensten Schiffe ueberhaupt.
    Sogar die Deckaufbauten sind sehr aehnlich in Form und Platzierung.
    Freue mich schon auf deinen Bau!

  • Moin zusammen,


    im Prinzip waren diese Schiffe vom Layout her alle gleich gestrickt:


    Unter dem Poopdeck residierten der Skipper, Offiziere, der Kapitänssteward und eventuelle Passagiere, mitunter auch die Ehefrau des Kapitäns. Unter der Back war eine Wache der Besatzung untergebracht, das Deckshaus beinhaltete die Kojen der anderen Wache sowie die Kombüse.
    Das hat natürlich den Vorteil, dass ein neuer Mann sofort wusste, wo er was fand und sich nicht erst groß orientieren musste.


    LG Alex

  • Moin moin,


    gaaanz langsam geht's dann mal los- ich übe mich in Entschleunigung lok1


    Zunächst einmal hab ich mir das "Herz" des Schiffs gebaut - den Kiel oder besser gesagt: Mittelträger. Ich habe vor, die Flying Cloud nach bewährter Manier zu bauen, also zunächst den Rumpf mit Beplankung und anschließend den Kiel und die Steven als Aufsatzstücke.
    Bei den Spanten fiel mir auf, dass auf dem Plan 10 Spanten als Vorderspanten und weitere 10 als achtere Spanten eingezeichnet sind - der Längsschnitt jedoch 21 Spanten zählt.
    Ich vermute - und anscheinend vermute ich richtig - dass ich es mittschiffs mit 2 identischen Spanten zu tun habe; genau so baue ich das Ding dann auch.


    Mein Mittelträger geht bis unters Hauptdeck, die Poop habe ich mit berücksichtigt, denn dieses kleine Detail hier:



    verrät mir die Reihenfolge, wie vorzugehen ist. Erst das Spantengerüst, anschließend das Hauptdeck (von vorn bis achtern durchgezogen). dann den Wassergang aufs Deck, etwas vorkragend, und dann die Erstbeplankung vertikal bis unter die Vorkragung des Wassergangs. Das könnte spannend werden.


    Übrigens: mein Mittelträger besteht aus 2 x 300g/m² und 1 x 135g/m² geschichtet, das macht ihn angenehm stabil. Die Spanten bekommen eine 300g-Schicht weniger, jedenfalls denke ich das bis jetzt.


    Momentan sieht das Ganze so aus:



    Dieses kleine Teil links mittig ist übrigens eine Zeichenschablone für die Decksoberkante, damit ich die Spanten gleich mit dem richtigen Sprung versehen kann.
    Spantenschnippelei ist übrigens nicht ganz so nervig, wenn man vorher an einem anderen Modell mit Serafil jongliert hat grins 3


    Bis demnächst,


    LG Alex

  • Hallo Alex,


    da ziehe ich doch direkt mal ein Abo und freue mich auf die Fortschritte des nächsten Jahres

    tschö1 Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Zitat von Alex


    Zunächst einmal hab ich mir das "Herz" des Schiffs gebaut - den Kiel oder besser gesagt: Mittelträger. Ich habe vor, die Flying Cloud
    nach bewährter Manier zu bauen, also zunächst den Rumpf mit Beplankung und anschließend den Kiel und die Steven als Aufsatzstücke. Bei den Spanten fiel mir auf, dass auf dem Plan 10 Spanten als Vorderspanten und weitere 10 als achtere Spanten eingezeichnet sind - der Längsschnitt jedoch 21 Spanten zählt.

    Hi Alex,


    21 Spanten ist richtig. Spant 0 wurde sowohl bei den Spanten des Vor- und Achterschiffs gezeichnet. Es ist der einzige Spant, den Du nicht spiegeln musst. Diese Darstellung findest Du bei allen Plänen im NMM. Spant 0 markiert die breiteste Stelle des Rumpfes und kann durchaus vor der Mitte des Schiffs liegen.

    tschö1 Christian


    "Behandle jedes Bauteil, als ob es ein eigenes Modell ist; auf diese Weise wirst Du mehr Modelle an einem Tag als andere in ihrem Leben fertig stellen."

  • Moin zusammen,


    @AnobiumPunctatum stimmt. In diesem Fall sind die beiden Nullspanten sogar ziemlich genau in der Schiffsmitte, was für mich bedeutet, dass der gute McKay da ein sehr ausgewogenes Schiff gezaubert haben muss.


    Die Post-Prandium-Arbeit des heutigen Tages bestand im Abschluss des Spantenschnippelns 1.0 und der Bearbeitung des Decks via Photoshop. Dabei fiel mir auf, dass Scott Bradner seiner Flying Cloud -Version ein etwas "eckigeres" Achterdeck verpasst hat als die von mir verwendete "Bluejacket"-Variante, wobei er sich unter anderem auf das Modell im MFA Boston bezieht. Hier mal zum Vergleich:


    1. Bradner



    2. Bluejacket



    Das "Bluejacket"-Deck erscheint mir ein wenig runder.
    Andersrum hat Bradner seiner Flying Cloud aber auch Bulleyes im Rumpf verpasst, die wiederum bei keiner anderen Darstellung zu finden sind, sei es nun im Modell oder auf einem Gemälde. Ist die Frage, wem folge ich hier?
    Nun, da ich meinen Bau eh schon komplett auf den "Bluejacket"-Plan eingetrimmt habe, werde ich auch dabei bleiben.


    Aktueller Bauzustand:



    Auch das Deck habe ich auf 135g/m² gedruckt und mit 300g/m² gedoppelt. Dieses "Linienriss"-Deck werde ich nach dem Einbau noch mit Holztextur doppeln, wie Ihr das ja schon bei mir gesehen habt.


    Übrigens habe ich die Doppelungen alle mit der guten alten flinken Flasche durchgeführt, was die ganze Geschichte recht stabil macht. Das Zeugs muss nun erst einmal durchtrocknen, dann kann es weitergehen.


    Einstweilen einen charmanten Sonntag,


    LG Alex

  • Hallo Alex,


    damit wirst du uns ein weiteres Lehrstück zum Thema Scratch-Bau liefern.
    Ich freue mich drauf und wünsche dir viel Freude, gutes Gelingen und Erfolg bei der Abstimmung.



    Viele Grüße
    Roland

  • Moin zusammen,


    doch, man kann sagen, ich bin recht optimistisch. Man weiß bei so einem Projekt ja nie, wo die Probleme beginnen schwitz1


    Natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, schon mal ein paar Spanten zu montieren, nämlich 12 von den 21. Passt fast alles wunderbar; bei den Nullspanten werde ich noch ein wenig nacharbeiten müssen, aber größtenteils bin ich nicht ganz unzufrieden. Ich habe mir das so gebaut, dass ich alle Spanten von unten nach oben in den Mittelträger setze, auf dem bereits das Deck ruht. So kann ich die Spanten in Ruhe ausrichten - um sie dann (kein Witz) mit Sekundenkleber knüppelhart zu verschweißen.
    Das Ergebnis sieht dann so aus:



    Im Großen und Ganzen wird das ein recht stabiles Gerüst, obwohl ich mir das Schiff tatsächlich kleiner vorgestellt habe, warum auch immer denk1
    Gesamt bietet sich mir folgender Anblick:



    Am Heck ist noch ein kleiner Kinken drin, aber den biege ich mir noch zurecht - ist eben so das übliche Gefummel mit runden Heckformen...



    Das war's erstmal wieder von Donald McKays Werft, gehabt Euch wohl,


    LG Alex

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