Trojanisches Holzpferd

  • Wird heute in der Oberstufe des Gymnasiums eigentlich noch die Ilias von Homer gelesen?


    Wir haben es während unserer Schulzeit noch getan.
    Die gehörte ganz ohne Zweifel zum Kulturerbe der Menschheit.


    Während einer Reise 2012 zu den Stätten der sieben Sendschreiben aus der Apokalypse
    (Auch das vermutlich heute kaum noch jemand bekannt!)
    suchten wir in einer kleinen Gruppe auch die Ruinen von Troja auf,


    Auf was trafen wir da am Eingang des Areals?
    Na klar, ein riesiges Holzpferd stand da, in dem man sogar aufsteigen konnte.


    Im Verlauf dieser Reise kamen wir auch nach Canakkale, wo die Original Requisite
    des Holzpferdes aus dem Monumentalschinken "Troja" stand.


    Das Modell, das ich heute hier zeigen möchte, entspricht mehr dem Holzpferd vom Museumsgelände in Troja.






  • Lieber Adolf,


    Mênin áeide theá, Peleiadéo Achilléos, uloménen ...


    Eigentlich ein unsterblicher Text, aber wie lange noch? Unser Griechischlehrer, leider viel zu früh verstorben, gab uns zu diesen großen Texten viele Gedanken mit. Er zeigte uns Teenagern, auch anhand von Bildern, warum diese alten Dinge ein Menschheitserbe sind: wer die "Ilias" liest, stellt fest: a) die sympathischsten Charaktere (Hektor, Priamos) sind auf der feindlichen Seite, die menschlichste Szene (Abschied von Hektor und Andromache) findet auf der Mauer Trojas statt; die Widerlinge (Agamemon, tw. Achilles) sind Griechen. b) Ägypter, Perser und Hetthiter stellen Feinde als kleine, an den Boden getretene und zuweilen hässliche Unter-Existenzen dar; bei Homer sind Trojaner und Griechen beide gleich groß. Aischylos, der Tragiker, schrieb nach den Perserkriegen ein Drama, das die Dinge als Katastrophe für die Perser darstellt: als menschliches Unglück, und ähnliches gibt es auch bei Herodot. Wohlgemerkt: die Perser waren gerade zu dieser Zeit die tödlichsten, totalitären Feinde Griechenlands. Kann man sich so eine Literatur heute vorstellen? Empathie für den (Tod)feind? Warnung vor Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit? Wenn mich jemand fragt, warum man dieses olle Zeugs heute noch lesen soll, womöglich noch im Original, dann sage ich: DESHALB! Ebenfalls lesenswert: Thukydides, "der peloponnesische Krieg", v.a. der sog. "Samier-Dialog" (harte Kost, da totaler Polit-Zynismus).


    Adolf, woher hast Du denn diesen coolen Bogen? Diesen "Trojaner" möchte man als Altgrieche auch gerne haben. Danke auch für die schönen Bilder aus Troja! Das Viech mit den Fenstern im Bauch wurde offenbar einer Vasenmalerei nachgebildet, die auch solche Gucklöcher zeigt. Antiker Comic, sozusagen.


    Übrigens: ist es nicht fies, daß die fiesen Viren "Trojaner" heißen? Eigentlich müsste man sie "Achäer" nennen, denn die Trojaner waren ... die Opfer.


    Beste Grüße
    Claudia

  • Ein ganz herzliches Dankeschön an Adolf und Claudia für diesen Exkurs!


    Es ist schon faszinierend, wenn die Geschichte so aufgearbeitet werden kann. Der Allgemeinbildung sehr zuträglich!

  • Claudia, herzlichen Dank für den Exkurs in die Geschichte unserer Vorfahren.


    Die Ilias konnte ich leider nur in einer sehr guten Übersetzung lesen.
    Meine Gymnasialzeit verbrachte ich auf einem normalen Gymnasium,
    und dann auch noch in dem sog. naturwissenschaftlichen Zweig.


    Meine ersten Kontakte mit den Dichtungen Homers hatte ich aber schon als sehr
    kleiner Junge. In unserer großen Familie wurde in Zeiten der Stromsperren - heute kaum noch vorzustellen -
    bei Kerzenlicht in großer Runde vorgelesen. Viel verstanden habe ich damals wahrscheinlich nicht,
    aber ich habe noch immer den Singsang der Stimme meiner Mutter im Ohr, die eine begeisternde Vorleserin war.
    So wurde ich auf unbewußte Weise an gute und große Literatur harangeführt.


    Später in meinem Deutschstudium für das Lehramt kam ich dann wieder mit Texten in Berührung,
    von denen mir sofort aus der Erinnerung klar wurde, daß ich sie schon einmal gehört hatte.


    Herzlichen Gruß


    Adolf

  • Hallo Adolf,
    an diese abendlichen Vorlesestunden kann ich mich gut erinnern. Unser Vater hat auch vorgelesen. Wir saßen dann alle um den Wohnzimmertisch bei Kerzen- bzw. Windlichterschein, denn es war Stromsperre, und flickten unsere Sachen. Dann sprach mein Vater im Ton der Ilias: " Und da sprach der braungelockte Pferdebändiger Nestor: Geliebte in Christo. laßt uns jetzt ins Bett gehen: Da wachten wir dann auf über diesem Scherz und da ging auch das Licht an.
    LIebe Grüße Albrecht

  • Kann man sich so eine Literatur heute vorstellen? Empathie für den (Tod)feind? Warnung vor Selbstgerechtigkeit und Überheblichkeit? Wenn mich jemand fragt, warum man dieses olle Zeugs heute noch lesen soll, womöglich noch im Original, dann sage ich: DESHALB!

    Hallo Claudia,


    Ohne viel Worte: beifall 1 beifall 1

  • Hallo Claudia,
    Hallo Adolf,
    die Kommentare zu dem berühmten Pferd sind lesenswert. Leider findet derzeit in der Politik kein echter Diskurs mehr statt. Gängig ist es, die eigene Position als moralisch zu überhöhen und damit den politischen Gegner automatisch als unmoralisch abzqualifizieren. Natürlich ist auch das Schüren von Ängsten beliebt.
    Zu dem hölzernen Pferd fällt mir noch ein Werbeplakat aus der Londoner U-Bahn ein. Dort wurde für die Times mt dem Bild des Trojanischen Pferdes geworben mit dem Slogan:"Wie oft wären sie gerne besser informiert gewesen?" Ein wahrer Spruch und mit gutem Bezug zu dem oben gesagten.
    LG
    Kurt

  • Dann sprach mein Vater im Ton der Ilias: " Und da sprach der braungelockte Pferdebändiger Nestor: Geliebte in Christo. laßt uns jetzt ins Bett gehen:

    Herrlich!! Den muß ich mir merken!!


    Vorlesen, auch so etwas Schönes! "die am Haupte langen Achaier", "der Pferdebändiger Hektor", "der helmumflatterte Hektor", "der schnellfüssige Achilles".... Heute gibt es ja gut Hörbücher, ich ziehe mir beim Bauen ab und zu "große Literatur" in die Ohren. Erstaunlich, wie wenig man im Laufe einer ganzen Odyssee am Modell vorankommt.... Vielleicht doch besser die Komplettversion der Bibel? Sollen 50 Stunden sein. Nach einer "Bismarck" oder so schlägt man sicher jeden Pastor!


    Kurt: genau das meinte ich (aber das weißt Du sowieso). Und auch wenn es etwas vom Thema wegführt: ich bewundere die Diskussionsregeln der sonst vielgeschmähnten, mittelalterichen Scholastiker (= Theologen, die es oft mit der Logik absurd genau nahmen). Bei deren, meist öffentlichen Streitgesprächen (Disputationen) galt: erst die Rede des Gegners korrekt zusammenfassen, ev. Nachfragen stellen. Dann sauber und korrekt (= sachlich und logisch) widerlegen. Mittelalterliche Talkshows waren kein Krawall-TV.


    Erstaunlich, wohin Galeriebeiträge führen können. Ich dachte schon: oje, jetzt ist Dir Deine Antiken-Begeisterung aber furchtbar durchgegangen! Wir bauen hier doch Modelle!! Ein sehr herzliches Dankeschön an diejenigen, die so überraschend positiv darauf reagiert haben (und mit Bitte um Nachsicht an die anderen....).


    Beste Grüße
    Claudia

  • Hallo, Ihr Lieben!


    Auch ich staune sehr darüber, wie man, veranlasst durch ein einfaches Kartonmodell,
    zu so prinzipiellen Fragen und Gedanken kommt.
    Eure Beiträge beweisen uns doch, daß es für uns Kartonmodellbauer
    auch ein Leben neben dem Kartonmodellbau gibt.
    Es freut mich ungemein, daß man in unserem Forum auch einmal
    aus sich heraus kommen darf und persönliche Gedanken und Meinungen äußern kann,
    die nicht unmittelbar mit dem Hobby zu tun haben.


    Dank Euch allen für Eure Anteilnahme und Eure Wortbeiträge.


    Gruß


    Adolf

  • Nur ganz kurz: Um die Rede des Gegners Korrekt zusammenfassen zu können, müsste man derselben genau und sehr beflissen lauschen - zuhören! Man müsste sie begreifen und könnte dann dieselbe auseinandernehmen.


    Ist heute doch wesentlich einfacher - Wie würde der Bayer sagen? Abwatschen und draufhauen!


    Nix anderes passiert.


    Und bitte keine Entschuldigung an die, die es nicht interessiert. Der eigentliche Galeriebeitrag ist ganz am Anfang schon zu Ende.


    Danke Claudi und Kurt. Manchmal fühlt man sich schon allein und unverstanden.....

  • Ein sehr schönes Modell! ja 2


    Wir waren 1997 dort in Troja, hier mal ein kleines Video von damals, ich bitte die schlechte Quali zu entschuldigen, ist halt über 20 Jahre alt, VHS und von Band digitalisiert...ich hoffe, mein Kommentar ist nicht allzu falsch...meine Anfangszeit als Videofilmer... lala1 schwitz1


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    Viele Grüße, Michael


    Der Mensch lernt und leimt - und alles klebt gut!

  • Hallo Michael,
    herzlichen Dank für das Video. Ich war 2004 in Troja. Unser Reiseleiter zog ziemlich über Schliemann her ebenso über Humann. Ich habe ihn dann gefragt, was er meine, denn vom Pergamon Altar noch übrig sei, wenn Humann ihn nicht nach Berlin gebracht hätte.
    LG
    Kurt