Main-Kettenschlepper K.B.K.S. No. V. - 1900 - 1:250 - MB-Modell

  • In der letzten Woche kam mein Preis zum dritten Platz bei der GOLDENEN SCHERE 2020 bei mir an: Neben der Urkunde (geschmackvoll gerahmt mit Passepartout) und der Bronzemedaille lag der Bogen meiner Wahl dabei: Der Main-Kettenschlepper K.B.K.S. No. V.


    Von der Kettenschifffahrt hatte ich zuvor schon einiges erfahren. Beim Besuch des Elbschiffahrtsmuseums in Lauenburg gibt es dazu einen schönen und didaktisch gut eingerichteten Raum. Ebenso hatte mir auf einer Modellbauausstellung in Hamburg ein Kollege einmal ausführlich sein Modell der GUSTAV ZEUNER erklärt. Richtig erwacht ist mein Interesse an dieser fast vergessenen Antriebsart von Flusschiffen aber erst beim Besuch in Magdeburg im September 2020 und der Besichtigung der GUSTAV ZEUNER. Hier ist ein kurzer Besuchsbericht mit Fotos:


    https://www.arbeitskreis-historischer-s ... gner-1894/



    Kurz erklärt "hangelten" sich dieses Schiffe zwischen 1870 und 1935 an einer im Flussbett des Mains - und anderer deutscher Flüsse - ausgelegten, armdicken Kette entlang. Die Kette lief vorn über einen Ausleger aus dem Fluss auf das Schiff, wurde von einem dampfgetriebenen Räderwerk aufgenommen welches den Vorwärtstrieb lieferte, und dann achtern über einen zweiten Ausleger im Fluss wieder abgelegt. Der Kettendampfer zog sechs bis acht antriebslose Kähne flussaufwärts. Ein ganz enormer Fortschritt gegenüber dem alten Treidelbetrieb!


    Diese Antriebsart wurde in Frankreich entwickelt und in Deutschland z.B. auf der Elbe, dem Main und dem Neckar betrieben. Anfangs war diese Technologie den noch schwachen und schweren Radschleppern überlegen.Kettendampfer verbrauchten im Betrieb deutlich weniger Kohle, konnte ihre Dampfkraft ohne nennenswerten Schlupf übertragen und fuhren dank geringem Tiefgang (ca. 40 Zentimeter) auch bei niedrigen Wasserständen auf den damals noch unregulierten Flüssen. Die Schleppzüge der Kettendampfer machten die Flüsse in Konkurrenz zu den Eisenbahnen als Transportweg wieder wirtschaftlich interessant.


    Michael Bauer hat einen exzellenten Kartonmodellbaubogen zum Main-Kettenschlepper K.B.K.S. No. V. konstruiert und veröffentlicht. Michaels Bogen ermöglicht es, das Schiff im Maßstab 1:250 aus rund 450(!) Teilen zu bauen.


    Bei Wikipedia gibt es ein Modellfoto zu sehen (Foto: Michael Bauer)



    Das 50 m lange K.B.K.S. No. V. wurde 1900 in Übigau/Dresden an der Elbe gebaut. Die fünf Kettenschiffe für den oberen Main waren sehr ähnlich wie GUSTAV ZEUNER gebaut. Auch sie verfügten über seitliche Wasserstrahlantriebe (s. meinen Beitrag unter dem Link oben). Später wurden noch drei weitere Schiffe nach ähnlichem Baumuster dazu bestellt.


    Ich baue nun also meinen ersten Kettenschlepper, mein erstes Modell nach einem MB-Bogen und mein erstes bayrisches Schiff! freu 2

  • Ich vermute, dass dieses interessante Modell in einigen Stapeln liegt, aber dann doch selten gebaut wird.


    Bevor es hier los geht, möchte ich den Bogen kurz vorstellen:



    Die rund 450 Bauteile liegen auf drei A4-Bogen. Der Karton lässt sich sehr gut schneiden und kleben, der Druck ist präzise, die Grafik gefällig und sehr detailreich. Rundungsteile liegen alternativ auf Papier bei. Darauf sind auch Schablonen für Dinge gedruckt, die der Modellbauer wahlweise auch aus Draht bauen könnte. Erwähnenswert ist, dass die Bogen beidseitig bedruckt sind!




    Was mich als Shiplover besonders freut, ist die ausführliche Information zum Original und zum Betrieb der Kettenschifffahrt auf dem Main. Einige Konstruktionszeichnungen des Modells liegen bei was den Modellbau vereinfacht (man sieht halt in der Übersicht gut, wo was hingehört). Diese Blätter lohnen sich aufgehoben zu werden um nach dem Modellbau alle Informationen über das Schiff parat zu haben.




    Was mich als Modellbauer freut, ist die sehr ausführliche Bauanleitung im Wort und Grafik! Sowas Tolles ist sehenswert. In Verbindung mit der Teileliste weiß der interessierte Modellbauer, welche Funktion das betreffende Teil im Original gehabt hatte. Insgesamt liegen 21 Seiten Bauanleitung und Information bei! Ein wirklich schmackhaftes Rundumpaket und ein toller Wettbewerbspreis den ich da bekommen habe! daumen1

  • Los geht's im Bogenanschnibbeln:



    Ich habe ja noch niemals eines von Michaels Modellen gebaut und großen Respekt davor. Daher halte ich mich beim Bau strikt an die Bauanleitung (nach einigen Scratch-Modellen macht das richtig Spaß!). Über die tolle Bauanleitung habe ich mich ja schon oben lobend geäussert. Mal sehen, was ich auf die Kette kriege... happy 2


    Es geht also los mit dem Spantengerüst des Wasserlinenmodells. Die Konstruktion aus gedoppelten Teilen ist temporär mit Fixogum auf einer Glasscheibe fixiert.




    Solange der oder das UHU im Spantengrüst trocknet, mache ich mich an den Bau eines Displays. Der Schlepper soll später "aktiv" in einer Wasserdarstellung gezeigt werden. Die ungewöhnliche Antriebsart soll verdeutlicht werden. Das Display ist eine einfache Kartonkonstruktion.




    Die Unterseite offenbahrt, dass ich nachträglich noch 3 cm angesetzt habe.


  • Der Rumpf ist geschlossen und fertig für eine Stellprobe auf dem Display. Bullaugenausschneiden und "Ganzkörperbemalungen" verkneife ich mir diesmal. Ich muss gut aufpasssen Bug und Heck auseinanderzuhalten. Auf dem Foto is tder Bug rechts.




    Nach vorn wird das Modell mehr Platz haben. Dort wird später die unter Spannung stehende Kette lang aus dem Wasser aufs Schiff gehoben. Achtern wird sie mehr oder weniger senkrecht wieder in Wasser gelegt werden.


    Der Rohbau für einen Beikahn ist auch schon zu sehen. Der Kahn war u.a. nötig, um bei Kettenbruch das Kettenende wieder aus dem Fluss zu fischen. Im Modell soll der Beikahn daher im vorderen Schiffsteil seitlich mitgeschleppt werden. Die Eigenkonstruktion erfolgte per Augenmaß nach Fotos.

  • Der Rumpf "schwimmt" nun im trüben Mainwasser. Der Wellenschlag ist natürlich viel geringer als bei einem maschinengetriebenen Schiff. Ich
    musste mir auch verkneifen, wie sonst immer, ein Schraubenwasser darzustellen. Unter dem Rumpf liegt eine Lage Graupappe welche das UWS darstellen soll. Im Original betrug der Tiefgang - voll ausgerüstet mit 1,5 Tonnen Kohlenvorrat - 56cm. Meien Darstellung ist damit sicher zu extrem. Ich mag es jedoch, wenn das Modell ein klein wenig höher aus dem Wasser schaut. Das tut dem späteren Gesamteindruck gut.


    Die Austosskanäle für die Turbinenpropeller sowie die Krümmer sind beidseits montiert. Zum Schutz der Konstruktion ist je ein hölzerner Abhalter verbaut. Die Krümmer machten möglich, die Turbinen entweder für Vorwärts- oder Rückwärtsfahrt zu nutzen. Zum Manövrieren konnten beide Turbinen auch unabhängig voneinander die Richtungen wechseln. Beeindruckendes HighTech Anno 1900!




    Die Display-Beschriftung habe ich aus dem Originalbauplan entnommen. Ich habe mir die Buchstaben im Rechner auf Wunschgrüße gebracht und spiegelverkehrt ausgedruckt. Die Papierrückseite habe ich weiß angemalt. Nach dem Ausschneiden von der bedruckten Rückseite her wird die bemalte Seite schließlich zu Vorderseite:




    Die Abkürzung bedeutet übrigens "Königlich bayrische Kettenschleppschiffahrt", die Zahl steht für die Nummer des Schiffes. Die K.B.K.S. war wie die Eisenbahn ein staatliches Unternehmen. Nach dem Untergang des Königreiches Bayern kamen die Schiffe in den besitzt der Deutschen Reichsbahn.


    Der originale Schriftzug beschert mir die schöne alte Schreibweise der No. mit dem doppelt unterstrichenem, hochgestellten "O". Der Displayschriftzug liegt nun auch zufällig auf gleicher Höhe wie die selbe Bezeichnung auf dem Rumpf. Der Beikahn harrt noch seiner Ausrüstung.


  • Servus Klaus,


    tolles Projekt von Dir! Die Darstellung im Wasser ist hervorragend gelungen.
    Wenn ich mal wieder in HH bin, zeigst Du mir wie das mit dem Wasser richtig geht.


    Da Norbert

  • Das Bellingrathsche Greifrad mit Anlauf- und Ablaufrolle steckt nun unter der Abdeckhaube. Bei dieser Konstruktion ist später die aufliegende Kette und die drei Räder noch erkennbar. Und mein erstes Schiffsmodell mit dem Heimathafen Aschaffenburg ist im Werden!



    Ing. Ewald Bellingrath entwickelte ein Greifrad, welches mit stählernen Fingern in die Kette griff um an dieser das Schiff zu bewegen. Das Greifrad wurde mit einer liegenden, umsteuerbaren Zwillings-Tandem Dampfmachine mit 130 PS Leistung bewegt. Über dem Deck lag das Greifrad unter einer Abdeckhaube.


    Die Funktion des Kettendampfermodells ist nun erkennbar: Die Kette wird durch den vorderen, im Original 8 m langen Ausleger, aus dem Wasser gehoben, in das Greifrad gezogen und hinten über den Ausleger im Fluss wieder abgelegt. Ein schönes Detail sind die beiden Winden bei der hinteren Kettenführung um den dortigen Ausleger so zu legen, dass die Kette wieder in die Flussmitte abgelegt werden konnte. Die Kette habe ich mal vor Jahren im Ramschladen am Bahnhof gekauft. Sie ist mit dunkelgrauer Acrylfarbe gefärbt.


    Hier der vordere Ausleger über den die Kette aus dem Wasser gehoben wird:




    Hier der Ausleger hinten mit den erwähnten Winden:




    Und nochmal der ganze Apparat (rechts im Bild ist der Bug happy 2 )


  • Mein Mainschiff wächst weiter bei der Aktion »Unser Deck soll voller werden«. Prinzipiell baue ich für das bloße Auge - und für den eigenen Spaß - und lasse mich durch Makros nicht mehr verrückt machen. Die Makros sind mal wieder furchtbar und offenbaren beim Modellbau Macken die behoben werden sollten.


    Die drei kleinen Lüfter haben mich an die Grenzen meiner Augenleistung gebracht. Sie sind wirklich den originalen Vorbildern korrekt
    nachempfunden, bestehen aber aus je fünf Teilen für deren Montage ich besser eine Lupe benutzt hätte. Damit der Lüfterrand nicht ganz so
    holperig aussieht wie ich ihn hinbekommen habe, habe ich zum Schluss einen Ring aus Kupferdraht vorgesetzt und die offenen Seiten mit Leim und Farbe verschlossen. Ebenso habe ich die liegenden Steuerräder nicht ausschneiden können sondern diese aus Borsten und Draht gefummelt. Sie dienen zur Steuerrung der beiden Ruder vorn und achtern, die dazugehörenden Züge aus Kupferdraht liegen an Deck montiert.


    Neben der Bezeichnung "Steuerstand" habe ich für diese Form der liegenden Steuerräder auch mal den Begriff "Steuerstuhl" gehört.



  • Dank Dir, Norbert danke1
    Dieses interessante Schiff hat es wirklich in sich. Nicht ohne Grund hat Michael den Bogen mit dem Schwierigkeitsgrad "schwer" bewertet. Es sind so viele kleine Teile von denen man zunächst glauben mag, sie gehen flott von der Hand.Die Detailierung des Bogens ist aber nicht übertrieben, das Original war einfach so reichhaltig! Und es kommt ja noch einiges bis zur Fertigstellung.... daumen1


    Klaus

  • Super, das macht richtig Spaß, Dir zuzusehen! Die Wasserdarstellung ist Dir wieder wunderbar gelungen, Klaus, die Farbe ist total überzeugend. Das ungewöhnliche Modell kommt so noch besser zur Geltung!


    Beste Grüße
    Claudia

  • Die Aktion "Unser Deck soll voller werden" geht weiter. Der Schornstein mit bayrischen Farben plus Bügel zum Legen macht aus dem Schiff nun einen Dampfer.



    Es sind Taljen an Deck angeschlagen über die die Schlepptrossen bei der Bergfahrt geführt wurden. Bei Talfahrt wurden die Trossen über den Schlepphaken auf dem Schleppbock und über den Schleppbügel geführt.


    Doppelpoller und eine Reihe Einzelopoller waren zu machen. Der Beikahn konnte nun über die Poller auch ans fahrende Schiff gebunden werden und bekam seine Ausrüstung. Auf Fotos habe ich es so interpretiert, dass solch ein Kahn auf der hinteren Ducht eine Winde führt.



    Die Gestaltung der Fenster der Oberlichter mit einem hellblauen Farbverlauf traf nicht ganz meinen Geschmack. Auf Origialfotos habe ich
    gesehen, dass auf den Oberlichtern Schutzgitter lagen. Das habe ich beim Modell nachvollzogen um meine Geschmackswelt wieder in Ordnung zu bringen. Der Mast aus Federstahldraht und Kunststoffborste vervollständigt die bisherige Silhouette. Interessant ist, dass der
    kurze Mast noch eine Stenge führt!


    Um "Vorn" und "Hinten" klarer zu definieren, habe ich im Modellwasser etwas mehr helle Verwirbelungen aufgetragen um die Fahrtrichtung des Kettendampfers deutlicher zu machen.


  • Jetzt komme ich in Modellbaubereiche, in denen ich mich fast schäme wenn ich meine Makros sehe... Vorab: mit bloßem Auge habe ich die vielen schlimmen Macken und Beulen in den Bauteilen nicht gesehen. Mithilfe der Makros werde ich aber einige Dellen beseitigen. Jetzt traue ich mich aber,Euch meine »Schlachtfelder« zu zeigen


    Der Steuerstand hat ein eine Dachkonstruktion zum Tragen des Sonnensegels bekommen.



    Ein kleines Rätsel bereitete mir der lange Hebel an der Vorderkante des Brückenstandes (im zweiten Bild habe ich den fraglichen Hebel ausgespart). Was ist seine Funktion? Ich vermute, der Hebel diente zur Bedienung der Dampfpfeife vor dem Schornstein. In dieser Vermutung habe ich einen Zug zwischen Hebel und Pfeife angebracht.



    Die beiden kleinen Handräder auf der Brücke hatten folgende Aufgaben: Eines war zur Dampfregulierung, das andere zur Betätigung der Bremse an den Kettentrommeln im Gebrauch. Diese Aufgaben scheien also für den fraglichen Hebel aus denk1

  • Servus Klaus,


    der Schlepper sieht tatsächlich so aus als käme er gerade aus einer Schlacht mit Wattebällchen.
    Also nee, daran gibt es überhaupt nichts zu mäkeln! Das ist blitzsauberer Modellbau!


    Da Norbert

  • Mit dem Setzten der bayrischen Flagge ist der Main-Kettenschlepper und mein erstes MB-Modell fertig daumen1
    Im Steuerstand arbeiten zwei Mann an den Ruderrädern, zwei Mann sind auf Deck beschäftigt, zwei Mann arbeiten an der Maschine bzw. am Kessel und einer macht gerade unter Deck mittag happy 2


    Hier und da liegen aufgeschossene Leinen, Taue und Hölzer herum (es ist halt ein Arbeitsschiff). Vorn ist der Mast mit den Signallichtern gestellt, seitlich davon hängen die beiden Seitenlichter an ihren Stangen. Zwei lange Ofenrohre ragen vorn und achtern aus dem Deck
    heraus. Damit der Beikahn zum Rumpf gesichert ist, ist ein Fender an der Reling belegt. Der Anker vorn ist klar, eine Kette liegt angeschäkelt
    bereit.


    Es ist ein eigenartig anzusehendes, aber technisch interessantes Schiff welches sich mit einer heute vergessenen Technik durch den Main zog. Der Bogen hat einen Riesenspaß gemacht - oder soll ich besser sagen: a mords gaudi!? - und dank der vielen Informationen über das Original im Baubogenpaket machte die Beschäftigung mit der Kettenschifffahrt auch viel Freude. Also ein empfehlenswertes Modell das gute eine Abwechslung zu den Seeschiffen in der Modellsammlung bietet.






    Und da zieht sich die K.B.K.S. No. V . dahin. Mit diesem Bild verabschiede ich mich aus diesem Baubericht, der Galeriebeitrag folgt. Vielen Dank an alle Interessierten, Schreiber und die aktiven und passiven Zuschauer tschö1


    Klaus


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